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Die Spieler

Die Spieler

Titel: Die Spieler
Autoren: Markus Griesheim
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Hilfskellner vor Ekel beim Anblick
dieser Fratze übergeben. Er ist seit vielen Jahren bei der Mordkommission. Palmstedt wäre noch
länger als er jetzt dabei. Dieser Beruf härtet ab. Oder macht einen Menschen stumpf. Je nachdem,
wie man zu diesem Beruf steht, der einen meist in die tiefsten Niederungen der menschlichen Natur
hinab führt, hinab zu dem primatenartige, urzeitliche Wesen, das unsere Instinkte leiten und vom
Trieb gelenkt wird. Wer Henk van de Hoogten fragt, wie er nur diesen Beruf machen könne, erhält
als Antwort: Weil es getan werden muss . Und wer weiter fragt: Ja, aber warum Du? Dem sagt er: Weil ich es gut kann! Van de Hoogten zieht das Tuch wieder über den Leichnam. Die Wunde am
Hinterkopf muss stark geblutet haben. Leben beginnt in Blut– und darin endet es.
    Van de Hoogten stemmt sich den Oberschenkel reibend wieder auf die Beine. Das Fleisch ist taub
geworden vom Knieen. Er nickt stumm den beiden neuen Kollegen zu, die den Leichnam nun in
einem Aluminiumsarg packen und in den Wagen schieben. Henk van de Hoogten schaut den Main
hinunter. Es wird ein schöner Tag werden. Am Fähranleger weiter unten haben sich die ersten
Fahrradfahrer eingefunden, die zur Düne übersetzen wollen. Die Schwanheimer Seite ist ein
Naturschutzgebiet. Eine Binnendüne, wie sie sie nur selten in Europa gibt. Verwehter Sand des
Mainbetts hat sie nach der letzten Eiszeit geformt. Wenn man sie durchquert, fühlt man sich an die
Bretagne erinnert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte in Ihrem Feuilleton letztes Jahr einen
Bericht über die Düne. Van der Hoogten hatte damals kurz erwogen, hier einmal mit Mariella
spazieren zu gehen. Aber es blieb bei einer Überlegung. Sie sind stattdessen in das Lokal Stadt
Höchst gegangen. Gut bürgerliche kroatische Küche. Üppig und preiswert. So wie Henk van der
Hoogten es liebt. So wie er es von Kind an kennt. Der Niederländer mag es schlicht. Aber reichlich.
Wenn er bei seinen Großeltern auf dem Land in den Ferien war, auf einem Landgut kurz vor der
deutschen Grenze, das fast schon im Münsterland lag, fragten sie ihn nie, ob es geschmeckt habe,
sondern: Was het genug, jongetje? Geschmack trat erst durch Mariella in sein Leben.
Van de Hoogten beschließt, noch nicht ins Referat zurückzufahren. Das Ding auf dem Main, die
Fähre, hat sein Interesse geweckt.
     
*
    Das stetige Surren des Weckers hebt Palmstedt an diesem Sonntagmorgen nun vollends aus dem
Schlaf. Seine Hand sucht tastend nach Katja nach Gabriela nach Michelle. Doch die andere
Bettseite ist seit Monaten leer. Alle haben sie ihn verlassen. Keine ertrug seine Trunk- und seine
Sexsucht. Keine Frau war Palmstedt sättigend genug, kein noch so körperliches Vergnügen konnte
seinen Durst nach dem Höhepunkt lindern, seinen geilen Hunger auf Frauenkörper auch nur
annähernd stillen. Die Trias seiner Lust, seine heilige drei Königinnen - jede für sich genommen
eine Hohe Priesterin der Liebe. Die Palmstedt nicht erwiderte. Nicht so, wie sie es erwartet haben,
es verdient hätten, es verlangt haben, geliebt zu werden. Stattdessen trank er bis zum Vollrausch in
die Morgenröte. Bis die Gnade des Vergessens für ein paar Stunden ihn erlöste von der Schmach
seines Scheiterns, für das sich Palmstedt selbst richtete, in dem er trank bis zur Ohnmacht, in der die
Geilheit keine Kontrolle mehr über ihn hatte. Die so Verschmähten und Enttäuschten entzogen
Palmstedt ihre Gunst, die eine nach zwei, die andere nach sieben Jahren, die dritte immer wieder
und wieder, wandten sich ab von ihm. Ließen ihn fallen, wie einen Söldnergeneral, der die Schlacht
nicht zu ihren Gunsten entscheiden konnte. Zogen mit Hof und Haushalt letztlich weiter. Ließen
Palmstedt allein zurück. Verbannten ihn in eine fast unmöblierte Wohnung in Bornheim. Nahmen
mit, was sie und Palmstedt gemeinsam anschafften. Was ihm gehörte. Was ihn be traf . Palmstedt hat
nie geschachert oder kleinlich aufgerechnet, sondern hat akzeptiert und verstanden. Gabriela
immerhin ließ ihm den Hund. Er hat sie mit dieser Abiturientin am tiefsten verletzt von allen. Weil
er bei der Schülerin so zärtlich war. Weil er die Kleine liebte. Weil er sie Mäuslein und Liebes nannte in dem Telefonat, das Gabriela belauschte.
    Der Husky-Mischling nimmt die allmorgendliche Prozedur nur mit einem kurzen Augenaufschlag
zur Kenntnis. Palmstedt weiß, dass die Hündin sich in sein Bett schleichen wird, wenn er unter der
Dusche steht. Er
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