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Die Spieler

Die Spieler

Titel: Die Spieler
Autoren: Markus Griesheim
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Sie tritt mit verschwörerischer Mine noch näher an
van de Hoogtens Tisch heran.
     
„Aber trotzdem passiert es . Fast jede Woche!“ argumentiert sie. Und triumphierend
fügt sie hinzu: „Was sagen deine Statistiker dazu ?“
    Van de Hoogten wird nachdenklich. Wie kann man sich solch weiblicher Logik entziehen? Und
wenn er sich auf die Diskussion einlässt, wird ihm Yvonne Hassinger wieder vorrechnen, wie er
seinen Lebensabend mit seiner A11er-Pension in einem Frankfurter Altersheim verbringen wird, wo
ihn rücksichtslose Zivildienstleistende mit der Decke auf den Knien in dunklen und kalten Fluren
vergessen werden, in denen sein stimm- und zahnloses Rufen ungehört verhallen wird, bis er
zerbröselt, während sie in ihrer Finca auf Mabella in der Sonne liegend von jungen durchtrainierten
Männern umschwirrt und versorgt, ja, geliebt werden wird! Yvonne ist süchtig nach dem Jackpot.
Sie ist die ständige Praktikantin ihres eigenen Lebens, hat vor vielen Jahren mit Mühe die
Ernennung
zur
Polizeikommissarin erlangt und tritt
seit
dem in ihrer Beamtenlaufbahn im
gehobenen Dienst wegen einiger Widrigkeiten , wie sie es nennt, auf der Stelle. Obwohl van de
Hoogten erst fünf Jahre nach ihr in die Abteilung III, Gewalt- und Sexualdelikte, kam und vier Jahre
jünger ist als sie, ist er jetzt schon Polizeihauptkommissar. Wenn Hassinger Glück hat, wird sie bei
Dienstende zur Oberkommissarin befördert. Aber bis dahin sind es mindestens noch zehn Jahre.
Solange muss sie mit ihren 2.200 EUR netto das Leben einer zukünftigen Millionärin so gut wie
möglich simulieren. Über die Hälfte ihrer Bezüge gibt sie daher für eine 72-qm-Loftwohnung am
neuen Deutschherren-Ufer aus. Dafür aber mit Blick auf die Frankfurter Skyline. Wenn man sich
schräg über den Balkon lehnt und nicht das Gleichgewicht verliert. Ansonsten kann man von ihrem
teuren Loft aus die noch teureren Loftwohnungen auf der anderen Mainseite sehen. Den Rest ihres
Geldes gibt Yvonne Hassinger für Zigaretten und Prêt-à-porter-Kleidung aus. Meist gut erhaltene
second-hand-Ware oder herabgesetzte Ladenhüter aus der Goethe-Straße, auf der sie sich trotz aller
Schwüre immer wieder aufs Neue von arroganten Verkäuferschwuchteln und Victoria-BackhamLadenschnepfen wie eine drittklassige Kundin behandeln lässt. Eines Tages werden sie dafür
bezahlen. Entweder wird Hassinger ihnen in die Fresse schlagen, wie bei der letzten Widrigkeit. Oder sie wird alles anprobieren, was auf Lager ist und dann nichts kaufen. Nichts! Und wenn sie
durch den JP das Geld hat, den ganzen Laden zu kaufen! - Für das Alter wird also nichts bleiben.
Aber von einem hohen Alter ist bei Ihrem Zigarettenkonsum auch nicht auszugehen. Darum tauscht
sie all ihre verpassten Chancen gegen diesen letzten Traum: Schlagartig reich sein!
„Na gut, dann tippe halt für mich mit. Die Zahlen wie beim letzten Mal“ resigniert
Henk van de Hoogten.
    Soll Yvonne seine Reihe doch auf den Schein setzen! Van de Hoogten zieht seine Börse aus dem
Jackett und gibt ihr einen Fünf-Euro-Schein in die Hand. Dann fährt er eben auf dem Nachhauseweg
doch nicht mehr bei der phantastischen Falafel-Bude am Oeder-Weg vorbei, die in diesem Jahr zum
fast-food-Geheimtipp in der Frankfurter Gastroszene avancierte. Manchmal macht van de Hoogten
diesen kleinen Umweg auf seiner Rückfahrt von Wiesbaden ins Nordend. Dann muss er Marialla
auch nicht anlügen, wenn sie ihn fragen wird, ob er denn schon etwas gegessen habe.
Zufrieden zieht Hassinger ab. Noch bevor sie den Raum verlässt, ruft van de Hoogten ihr nach:
     
„Das nächste Mal kannst du von deiner Hälfte ja in Vorleistung gehen. Ich geb' dir
den Einsatz dann von meiner Hälfte, wenn wir gewonnen haben.“
    Yvonne Hassinger nickt zustimmend, bevor sie die Tür schließt. Sie geht zum Fahrstuhl, der auf
die Dachterrasse der Wiesbadener Zentrale führt. Hier und vor dem Fahrradkeller ist den Kollegen
das Rauchen gestattet. Ihr Büro wurde früher die Räucherkammer genannt, die sie sich mit einem
Kommissarsanwärter teilte. Noch heute zeugen der Gilb in der Tastatur und den Aktendeckeln von
dieser Ära. Auf dem Dach zu rauchen ist für alle angenehmer. Idealerweise stünde auch ihr
Schreibtisch da.
    Van de Hoogten schaut noch für ein paar Sekunden auf die geschlossene Tür. Vermutlich wird er
nie erfahren, ob Yvonnes Gewissheit, den JP zu knacken, immer nur gespielt oder eine echte Manie
ist. Dann widmet er sich wieder dem
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