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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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hinein, wie man es beim Verlassen von kirchlichen Räumen zu tun pflegt. Nach dieser Handlung wurde ihnen ein würdiger Abgang zuteil.
    Der Kirchengemeinderat aber und Eigner dieses Hutes behielt die Nikodemuskirche in lieber Erinnerung, denn, als er seinen Hut aufsetzte, flogen ihm die Zehnerle um die Ohren, weshalb er eine Woche lang auf Kosten der Nikodemuskirche parken konnte. Er wunderte und er freute sich und beschloß, dieses Erlebnis in der nächsten Sitzung zur Sprache zu bringen.
    Die Kirchengemeinderäte nippten an ihrem Weinglas, knabberten Salzstangen und hatten dabei Gelegenheit, den künftigen Pfarrer nebst seiner Frau nach Herzenslust auszufragen. Sie taten es maßvoll und mit Freundlichkeit. Was hätten sie anderes tun sollen? Auch wenn Manfred eine verdächtige theologische Richtung verfolgt, auch wenn er länger als eine Stunde gepredigt, alles abgelesen und trotzdem steckengeblieben, das Beffchen auf dem Rücken getragen, kurz, wenn er all das getan hätte, was ein Kirchengemeinderat nicht gerne an seinem Pfarrer sieht — sie hätten beide Augen zudrücken müssen. Er war der einzige Bewerber weit und breit, und seit einem Jahr stand die Pfarrstelle leer.
    Nun, sie gerieten in keine derartigen Konflikte, der Gottesdienst war zu allgemeiner Zufriedenheit verlaufen, und also taten sie ihre Wünsche und Erwartungen kund, und Manfred die seinen. Auf einmal kam es über mich. Ich war es leid, still dazusitzen und lieb zu lächeln, schlicht und »oifach« zu erscheinen und hingerissen an Manfreds Mund zu hängen. Ich öffnete den meinen und sprach:
    »Was erwarten Sie von der Pfarrfrau?«
    Darauf zog ich den Kopf ein, um den unvermeidlichen Schauer auf mich niederprasseln zu lassen: »Frauenkreis, Mütterkreis, Kirchenchor, Ehepaarkreis...«
    »Nichts!« sagte der hinterher so reich beschenkte, von mir seit dieser Stunde mit treuer Anhänglichkeit verfolgte Kirchengemeinderat, »wir stellen den Pfarrer an und nicht die Pfarrfrau, also haben wir keine Forderungen zu stellen! Wenngleich wir natürlich glücklich sind, wenn die Pfarrfrau ein bißchen mitmacht.«
    Die anderen nickten. Das war ein Wort! Vergiß die Wohnung, so sprach ich zu mir, denn du kommst zu Menschen. Und als wir heimgingen, sagte ich es noch einmal laut zu Manfred und fugte hinzu:
    »Alles ist gut so, und ich bin froh, daß du die Stelle genommen hast.«

    Der Umzug fand bei Schneegestöber statt. Manfred litt an Heuschnupfen, mitten im kalten Winter. Seine Augen tropften, ebenso seine Nase, mir ging es auch ohne Schnupfen nicht anders. Wieder murrten die Packer, aber mittlerweile waren wir es gewohnt. Dieses Mal erhob sich ihr Groll, weil sie dauernd in die Tiefe mußten, erst aus unserer luftigen Wohnung hinunter in den Möbelwagen, dann aus dem Möbelwagen hinunter in den Keller. »Wellet Se em Keller wohne?« fragte der eine, »obe hent Se nix als Bücherkischte!«
    Die kleine Friederike schlängelte sich zwischen all diesen Kisten hindurch, um uns mitzuteilen, daß die Mammi zum Mittagessen einlade und daß sie, Friederike, den Nachmittag bei uns verbringen wolle, um zu helfen und Märchen zu hören.
    »Denn darum, Frau Müller«, so sprach sie, »bist du ja hergekommen, und ich habe gebetet, daß es klappt.«
    An Mammis gut gepfefferten Frikadellen lag es nicht, daß Manfred und ich beim Mittagessen andauernd mit den Taschentüchern wedelten.

    Feierliche Investitur am Sonntag. Schöne Reden beim Stehempfang, mit Sekt hinuntergespült, mit belegten Brötchen garniert.
    Pappi hatte alles aufs Beste vorbereitet. Nichts blieb uns zu tun. Wir durften genießen, Ehrungen entgegennehmen und Willkommensgrüße, und jedermann wußte, daß ich »Helmensdorfers Pastorengattin« gewesen war. Manfred warf sich hernach mit Elan in die Gemeindearbeit. Pappi und er waren ein Herz und eine Seele. Wenn der eine lachte, dann wußte der andere warum, und wollte der eine in der Sitzung etwas durchdrücken, dann wollte es der andere auch. Eine Gemeindedienstfrau faßte dies in die Worte: »Früher haben sich unsere Pfarrer zu schlecht verstanden. Jetzt verstehen sie sich zu gut!«
    Auch die Buben waren froh. Sie konnten in ihrem Gymnasium bleiben, behielten ihre Schulfreunde, gewannen jedoch keine neuen dazu.
    So war denn alles eitel Sonnenschein. Die kleine Friederike erschien jeden Tag bei uns, stand daneben, wenn ich bügelte und kochte, hörte zu, wie ich Märchen erzählte und wußte selber welche. Sie war ein kluges und sprachbegabtes kleines
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