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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Unordnung ist!« antwortete ich. »Da, schau dir das Chaos an auf deinem Schreibtisch!«
    »Es ist kein Chaos, sondern meine Art von Ordnung. Ich weiß genau, wo ich was hingelegt habe, und ich finde jeden Zettel, sofern du nicht vorher staubgewischt hast, und ich genügend Zeit habe.«
    Er machte sich auf die Suche nach dem Heft mit den Stellenangeboten. Er ging dabei systematisch zu Werke, begann an der linken Seite des Schreibtisches und arbeitete sich langsam zur rechten durch. Lange Jahre der Übung kamen ihm dabei zugute, die eine Hand schüttelte Hefte aus, die andere drehte Zettel um, fand er etwas, schon lange verloren Geglaubtes, so verklärte sich sein Antlitz, fiel sein Auge auf einen vergessenen Termin, so umdüsterte es sich. Schließlich forderte er mich auf, meinen Sitzplatz zu verlassen, damit er auch diesen noch durchforsten könne. Und siehe, da lagen die Stellenangebote, und ich hatte sie zugedeckt.
    »So ist es immer«, sprach er. »Ich habe eine Ordnung, und du machst sie zunichte. Wie kann ein Mann Ordnung halten auf seinem Schreibtisch, wenn seine Frau diesen als Sitzplatz benützt!«
    Dann breitete er die Stellenangebote vor mir aus, aber da war keines, das mich hätte locken können, Umzugsstrapazen und dergleichen Unannehmlichkeiten mehr auf mich zu nehmen.
    »Laß uns lieber noch warten«, sagte ich deshalb, »vielleicht kommt im nächsten Monat etwas Besseres. Ein Häuschen mit Garten...«
    Manfred aber zappelte bereits am Angelhaken, hatte sich festgebissen an der Beschreibung einer ersten Pfarrstelle in der Vorstadt, und als Köder diente der Satz: »Die Jugendarbeit liegt beim zweiten Pfarramt.«
    »O, Malchen«, seine Stimme klang ganz sehnsüchtig, »ich hab es getragen sieben Jahr, und ich kann es nicht tragen mehr... Da wäre ich die Jugendarbeit los, da hätte ich nichts mehr damit zu tun. Hört es sich nicht verlockend an? Zweifamilienhaus in stiller Wohnlage. Im Erdgeschoß das zweite Pfarramt, im ersten Stock das erste. Kleiner Garten hinter dem Haus. Wir sollten es uns anschauen!«
    »Aber nur von außen, Manfred! Wir dürfen uns nicht sehen lassen bei den Leuten, sonst müssen wir nachher hin, ob wir wollen oder nicht. Wenn man ein Haus von außen anschaut, kann man sich auch vorstellen, wie’s drinnen aussieht.«
    Dieser letzte Satz erwies sich leider als Irrtum, denn wir konnten uns keineswegs vorstellen, wie’s innen aussehen sollte, nachdem wir mehrere Male, als harmlose Passanten getarnt, an dem Haus vorbei gegangen waren. »Komm, laß uns reingehen, Malchen! Ich will mich nur ein wenig mit dem Kollegen unterhalten, und du kannst einen Blick in die Wohnung werfen. Dann gehen wir wieder heim und wissen Bescheid.«
    Ich hatte ein ungutes Gefühl, zu Recht, wie sich später herausstellen sollte.
    Der Kollege hielt gerade Konfirmandenunterricht, aber seine Frau Marianne und sein Töchterchen Friederike führten uns eine Treppe hoch, schlossen die leere Wohnung des Vorgängers auf und geleiteten uns durch kleine Zimmerlein und einen Wohnraum, der zugleich den Durchgang zu den hinteren Räumlichkeiten bildete, bis zu einem Bad, in welchem ein schlanker Mensch bequem stehen konnte.
    »Es ist winzig«, sagte die Frau des Kollegen, »aber man muß sowieso immer die Tür auflassen, sonst schimmelt es, so ohne Fenster.«
    »Aber zwei Klos hat’s«, sagte die kleine Friederike, »und draußen im Garten hat’s Ratten. Habt ihr vielleicht schon mal Ratten gehabt?«
    »Ja, einmal im Keller. Aber die haben wir ausgerottet.«
    »Mammi, was ist >ausgerottet    »Totgemacht.«
    »Aja, der Pappi hat auch mal eine Maus ausrotten wollen, aber er hat sie nicht gekriegt; sie ist in die Küche gelaufen hinter den Spülstein und da hat sie furchtbar gestunken.«
    »Das mit den Ratten stimmt leider«, bestätigte die Mammi, »denn die Bahnlinie liegt gleich hinter dem Haus. Wir haben uns schon daran gewöhnt, daß alle fünf Minuten ein Zug vorüberbraust...«
    »Aber wenn wir Gäste haben«, plapperte die Kleine dazwischen, »dann können sie immer nicht schlafen und sagen, es ist eine Zumutung...«
    Die Mutter legte der Tochter die Hand auf den Mund, um wieder zu Wort zu kommen.
    »Ihr Vorgänger war ein freundlicher...«, so hub sie an, aber dieses Mal fuhr ich ihr in die Rede, »er ist noch gar nicht unser Vorgänger, wir wissen ja nicht, ob wir überhaupt hierher kommen...«
    »Also der Vorgänger hier«, verbesserte sie sich.
    »Mammi, warum der Vorgänger und nicht unser Vorgänger?
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