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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Mammi, was ist ein Vorgänger?«
    »Heideblitz, Friederike, jetzt laß mich doch mal die Geschichte von den Eichhörnchen erzählen!«
    »Au ja, Mammi!« Friederike kreischte vor Vergnügen. »Also, er war ein reizender Mensch, aber in der Tierkunde nicht sonderlich bewandert. Er erzählte uns, daß er jeden Morgen solche Freude an den Eichhörnchen habe, die gar possierlich durch den Garten tollten...«
    »Laß mich weitererzählen, Mammi, bitte. Dann sind wir morgens ganz früh aufgestanden und haben aus dem Fenster geguckt, da waren’s lauter Ratten, und die Mammi hat gesagt, sie wird ohnmächtig, und der Pappi, er wird verrückt, und ich hab laut >Buh< gemacht, da sind sie weggelaufen. Magst du Ratten, Frau Müller?«
    »Nein, Friederike, überhaupt nicht!«
    »Ich auch nicht, Aber es sind die einzigen Tiere, die es bei uns gibt, und darum müssen wir froh sein, daß wir sie haben.«
    »Manfred, laß uns gehen...«
    Der Rest meiner Rede erstarb im Rattern des vorbeibrausenden Zuges.
    »Warum willst du denn schon gehen? Der Pappi kommt doch gleich.«
    Ich war überhaupt nicht begierig darauf, den Pappi kennenzulernen, denn wenn die Mammi schon so nett war und die Tochter, wie erst würde der Pappi sein? Manfreds Augen glänzten schon jetzt und hatten vermutlich die Puppenzimmer mitsamt dem Badekämmerlein gar nicht wahrgenommen. Ich zog und schob ihn voran, aber so sehr ich mich auch mühte, der Pappi erwischte uns an der Haustür, drückte uns zurück ins Haus, hinein in seine Wohnung, lachte schmetternd und erzählte lauter Schönes und Gutes über die Gemeinde.
    Manfreds Augen strahlten in überirdischem Glanz und die des Pappis auch, und die Mammi machte Tee, und die kleine Friederike saß auf meinem Schoß und war eine Süße.
    »Kannst du Märchen erzählen, Frau Müller?«
    »Und wie!« antwortete Manfred für mich, »niemand erzählt so viele Märchen wie sie !«
    »Ach bitte, dann komm doch hierher, Frau Müller! Ich hör so gerne welche, und die Mammi kennt schon gar keine mehr. Der Pappi wär auch froh, weil er alle Arbeit allein machen muß und jeden Sonntag Kirche halten und Beerdigungen und so. Und er sagt, wenn endlich einer kommt, dann hat er ihm schon seine ganze Gemeinde wegbeerdigt...«
    Auf der Heimfahrt versank ich in düsteres Grübeln. Warum war alles Glück so unvollkommen? Hätte zu Mammi und Pappi und Friederike nicht noch eine schöne Wohnung gehören können? Mußte dieser hübsche Garten ein Spielplatz für Ratten sein, das Bad so klein und der Bahndamm so nah?
    Zu Hause machte ich die Buben mobil, streute Zorn gegen den verblendeten Vater in ihre Herzen, hetzte und klagte:
    »Der Vati will in eine verpifferte Wohnung, winzige Zimmerlein, ein Bad wie ein Fingerhut, im Garten Ratten, Mäuse, Schlangen...«
    Die beiden gingen sofort an die Arbeit, schmiedeten Verse, verfertigten Plakate, sagten Streik an und Demonstration.
    Als Manfred am nächsten Tag aus der Schule kam, marschierten sie durch die Wohnung, schwenkten ihre Plakate und schrien ihre Parolen:

    »In Zimmer winzig klein, wollen wir nicht rein!«
    »Die Ratten in dem Garten, die solln auf andre warten!«
    »Ein Bad, wie’n Fingerhut, ist nurfür’n Schmierfink gut!«

    »In Ordnung«, sagte Manfred, »ihr könnt es vergessen. Wenn ihr nicht hinwollt und eure Mutter auch nicht, dann lassen wir es eben sein.«
    Ich warf mich dankbar an seine Brust und beschloß, demnächst Maultaschen zu kochen und ihm auch sonst jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
    Er schrieb keine Bewerbung. Pappi und Mammi, Ratten und Bahndamm versanken in Vergessenheit, nur die kleine Friederike trieb sich manchmal in meinen Träumen herum.

    Nach einem halben Jahr war die Stelle noch immer nicht besetzt. Der zuständige Oberkirchenrat führte ein Gespräch mit Manfred. Der kam nach Hause, druckste herum, stocherte in seinem Essen und gab nach langem Drängen kund, daß man ihm die Stelle am Bahndamm warm empfohlen und ihn gebeten, sich zu bewerben.
    »O, du armer Mann!« rief ich zornig, »wie schwer dich das Schicksal doch geschlagen hat! Jetzt mußt du also auf die Stelle, nach der es dich schon seit einem halben Jahr verlangt! O, wie tust du mir leid!«
    »Ja«, sagte Manfred, »ja, ich will hin!«
    »Und ich nicht!« schrie ich dagegen.
    »Machet doch kei Gschrei!« rief Andreas, »könnet ihr ‘s net leis sage?«
    »Ich kann es schon«, knurrte Manfred, »aber deine Mutter...«
    Mathias schaltete sich ein.
    »Mr muß es in Ruhe überlege. Wenn
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