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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte
Autoren: Giorgio Faletti
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das Programm von Radio Monte Carlo leitete, war ein leidenschaftlicher Fan von »The Edge«, dem Gitarristen der irischen Band. Sie ließ keine Gelegenheit aus, eines ihrer Stücke ins Programm zu schmuggeln. Im Sender war sie monatelang wegen ihres träumerischen Gesichtsausdrucks, den sie wie ein Make-up zur Schau trug, aufgezogen worden, nachdem sie endlich ein Interview mit ihren Idolen ergattert hatte. Während die Straße sich in Serpentinen von Beausoleil zur Stadt hinunterwand, begleitete er, abwechselnd mit dem linken Fuß klopfend und 8

    mit der rechten Hand die Auftakte aufs Lenkrad schlagend, den Rhythmus und unterstützte Bono, der mit rostiger, melancholischer Stimme Geschichten davon erzählte, wie ein Mann in the name of love gekommen war.
    Es lag schon etwas vom nahenden Sommer in der Luft, jenes ganz besondere Aroma, das nur in den Städten am Mittelmeer zu finden ist. Ein Duft nach Salz und Brackwasser, nach Pinien, Rosmarin und anderen unbestimmten Dingen. Versprechen und Wetten zugleich. Nicht gehalten die Ersteren, verloren die Letzteren.
    Das Meer, die Pinien, der Rosmarin und die Blüten des Sommers würden noch lange Zeit nach ihm da sein und nach all jenen, die sich hier und an anderen Orten wie diesem abmühten. Dennoch fuhr er mit offenem Verdeck bei angenehmen Temperaturen, den Wind in den Haaren, auch er mit schönen Versprechen im Herzen und den schönen Wetten des Lebens.
    Es gab Schlimmeres.
    Trotz der Uhrzeit war er allein auf der Straße. Er nahm die Zigarettenkippe zwischen Daumen und Mittelfinger, schnipste sie nach oben und sah im Rückspiegel der kleinen, leuchtenden Spur nach, die auf dem Asphalt in winzig kleine Fünkchen zerstob. Der Rauch vom letzten Zug verlor sich im Wind. Er kam am Fuß der Abfahrt an und konnte sich für einen Moment nicht entscheiden, welche Straße zum Hafenviertel er nehmen sollte. Während er um den Kreisverkehr fuhr, entschied er sich für die Route durch die Stadt und bog in den Boulevard d’Italie ein.
    Die Touristen begannen, das Fürstentum zu erobern. Das soeben beendete Formel-1-Spektakel, der Grand Prix von Monte Carlo, war der Startschuss für den monegassischen Sommer gewesen. Von jetzt an würden die Tage, die Abende und die Nächte ein einziges Kommen und Gehen von Akteuren und Zuschauern sein. Auf der einen Seite die Limousinen mit Chauffeur und den zufriedenen und gelangweilten Mienen der Personen im Inneren. Auf der anderen Seite schwitzende, staunende Menschen in Kleinwagen. Gegensätzlich wie jene, die mit leuchtenden Augen vor den Schaufenstern standen.
    Sicher fragte sich der eine, ob er wohl die Zeit finde, noch einmal vorbeizukommen und sich diese oder jene Jacke zu kaufen, während ein anderer darüber nachdachte, wie er das Geld dafür aufbringen könne. Sie waren wie Schwarz und Weiß, zwei entgegengesetzte Kategorien, zwischen denen sich eine beeindruckende Menge an Grautönen ausbreitete. Viele, deren einziges Lebensziel darin be9

    stand, anderen Sand in die Augen zu streuen, andere, die versuchten, ihn irgendwie wieder loszuwerden.
    Jean-Loup dachte, dass die Prioritäten im Leben alles in allem doch ziemlich schlicht und vorhersagbar waren, und nur an wenigen Orten der Welt konnte man sie so einfach erkennen wie hier. An erster Stelle stand die Jagd nach dem Geld. Einige haben es, und alle anderen wollen es. Einfach. Ein Allgemeinplatz wird zum Allgemeinplatz durch das Quäntchen Wahrheit, das er enthält. Vielleicht macht Geld nicht glücklich, aber während man auf das Glück wartet, ist Geld kein schlechter Zeitvertreib.
    So dachten alle. Das Mobiltelefon in seiner Hemdtasche begann zu klingeln. Er zog es heraus und antwortete, ohne auch nur einen Blick auf den Namen im Display zu werfen. Er wusste auch so, um wen es sich handelte. Die Stimme von Laurent Bedon, dem Regisseur und Autor von Voices , der Sendung, die Jean-Loup jede Nacht bei Radio Monte Carlo moderierte, drang mit dem Fahrtwind vermischt an sein Ohr.
    »Meinst du, du wirst uns heute Abend mit deiner Gegenwart beehren, oder werden wir die Sendung ohne unseren Star bestreiten müssen?«
    »Salut, Laurent. Ich komme gleich, bin schon auf dem Weg.«
    »Prima. Du weißt doch, dass Roberts Herzschrittmacher durchdreht, wenn einer seiner DJs nicht mindestens eine halbe Stunde vor der Sendung im Studio ist. Dem qualmen schon die Eier.«
    »Die auch? Reichen ihm seine Zigaretten nicht mehr?«
    »Anscheinend nicht.«
    In der Zwischenzeit war der Boulevard
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