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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte
Autoren: Giorgio Faletti
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bog direkt hinter der Rascasse links ab und fuhr die Rampe zur Tiefgarage hinunter, die drei Stockwerke tiefer, genau unter dem weiten Platz vor dem Gebäude des Senders lag.
    Er stellte den Wagen auf dem ersten freien Parkplatz ab und nahm die Treppe, um ins Freie hinaufzusteigen. Die Musik aus dem Stars ’n’ Bars drang wie ein Echo durch die Türen des Lokals bis zu ihm herüber. Es war ein Szenetreffpunkt für die Nachtschwärmer von Monaco, ein Videopub, in dem man sich auf ein Bier oder ein Tex-Mex-Gericht traf, um gemeinsam auf das Fortschreiten der Nacht zu warten, bevor man sich wieder in die Diskotheken und die Lokale an der Küste zerstreute.
    Das riesige Gebäude, in dem Radio Monte Carlo seinen Sitz hatte, beherbergte in den Säulengängen zum Quai Antoin Premier hin eine bunte Vielfalt von Unternehmen: Restaurants, Büros von Schiffswerften, Kunstgalerien sowie die Studios von Tele Monte Carlo.
    Jean-Loup trat in den Eingang und klingelte am Bildtelefon. Er 12

    stellte sich so dicht vor die Kamera, dass nur ein winziger Ausschnitt seines rechten Auges erfasst wurde.
    Die Stimme der Sekretärin, Raquel, kam so drohend wie nur möglich aus dem Apparat.
    »Wer ist da?«
    »Guten Abend, Auge-um-Auge mein Name. Könnten Sie mir bitte aufmachen? Ich trage Kontaktlinsen und der Netzhautscan funktioniert nicht.«
    Er trat einen Schritt zurück, damit sie ihn erkennen konnte. Aus der Sprechanlage drang erst ein leises Lachen, dann eine einladende Stimme.
    »Treten Sie ein, Herr Auge-um-Auge …«
    »Danke. Ich bin eigentlich gekommen, um Ihnen eine Enzyklopädie zu verkaufen, aber jetzt würde ich mich schon mit ein paar Augentropfen zufrieden geben …«
    Mit einem trockenen Schnalzen sprang die Verriegelung auf. Als er im vierten Stockwerk eintraf und die Tür des Aufzugs automatisch beiseite glitt, sah er ins pausbäckige Gesicht von Pierrot, der mit einem Stapel CDs in der Hand auf dem Treppenabsatz stand.
    Pierrot war eine Art Maskottchen des Senders, zweiundzwanzig Jahre alt, doch mit dem Verstand eines Kindes. Er war etwas kleiner als der Durchschnitt, hatte ein rundes Gesicht, und immer standen ein paar seiner Haare auf eine Weise ab, die bei Jean-Loup den seltsamen Eindruck erweckte, als lächle der Junge durch eine Ananas hindurch.
    Pierrot war das unbestechlichste Lebewesen, das auf dieser Erde herumlief. Er verfügte über die Gabe manch schlichter Charaktere, sofort Sympathie bei denjenigen zu wecken und für diejenigen zu empfinden, die es seiner Meinung nach wert waren. Und sein Instinkt trog ihn nur selten.
    Er bewunderte die Musik, und sein Verstand, der sich normalerweise schon in den einfachsten Überlegungen verhedderte, wurde plötzlich geistreich und klar, sobald er darüber sprach. In seinem musikalischen Computergedächtnis hatte er das ganze unendliche Archiv des Senders und noch andere Musik weit darüber hinaus gespeichert. Es genügte, ihm den Titel oder den Refrain eines Liedes anzudeuten, sofort schnellte er wie eine Rakete davon, um wenig später die Schallplatte oder CD mit dem fraglichen Stück herbeizubringen. Wegen der Ähnlichkeit seiner Begabung mit derjenigen der Filmfigur, hatten sie ihn im Sender »Rain Boy« getauft.
    13

    »Salut, Jean-Loup.«
    »Pierrot, was machst du denn um diese Uhrzeit noch hier?«
    »Meine Mama arbeitet heute Abend länger. Die Herrschaften geben ein Essen. Sie kommt mich abholen, wenn es ein bisschen später danach ist .«
    Jean-Loup musste über den Schnitzer des Jungen lächeln. Pierrots Ausdrucksweise gehorchte seiner ganz persönlichen Grammatik, einer besonderen Sprache, bei der sich die Treuherzigkeit der Fehler und die absolute Ahnungslosigkeit, mit der sie ausgesprochen wurden, häufig kongenial zu den umwerfendsten Bemerkungen verbanden. Seine Mutter, die ihn abholen würde, wenn es ein bisschen später danach wäre, verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Zugehfrau bei einer italienischen Familie, die in Monte Carlo lebte.
    Er hatte die beiden vor ein paar Jahren am Eingang zum Sender kennen gelernt. Jean-Loup hatte das seltsame Pärchen zunächst kaum wahrgenommen, bis die Frau schließlich auf ihn zutrat und ihn mit der ängstlichen Miene derjenigen ansprach, die immerfort um Entschuldigung für ihre eigene Existenz zu bitten scheinen. Es wurde ihm klar, dass sie auf ihn gewartet hatten.
    »Entschuldigen Sie, sind Sie Jean-Loup Verdier?«
    »Ja, Madame. Was kann ich für Sie tun?«
    »Also, entschuldigen Sie die Störung, aber
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