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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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HAST DU WIRKLICH VERGESSEN, WAS FÜR EIN TAG HEUTE IST?
    Als Schmalenbach an diesem düsteren Tag um halb elf Uhr abends nach Hause kam, saß Elke verheult vor den »Tagesthemen«.
    Da nutzten ihm auch die besten Ausreden nichts mehr: Dass er bis zehn Uhr habe Überstunden machen müssen – wegen der neuen
     Buchstabennudelsuppenwerbung, die ihm sonst ein hippes New Yorker Kreativbüro vor der Nase weggeschnappt hätte. Dass er mit
     seinem besten Freund Pfeifenberger noch habe reden müssen, weil der doch eine Geschlechtsumwandlung plane, von der aber dessen
     Frau Carola, Elkes beste Freundin, nichts wissen dürfe. Dass ihn unterwegs ein heruntergekommenes kleines Mädchen angesprochen
     habe, das ihm Zündhölzer habe andrehen wollen, dann aber auf seine schwierige familiäre Situation zu sprechen gekommen sei
     und mit ihm zwei geschlagene Stunden sehr angeregt über die Ungerechtigkeit der Regelsätze bei Hartz IV diskutiert habe. Dass
     eine Straßenbahn mit einer Seniorengruppe auf Kaffeefahrt aus den Schienen gesprungen und er als Einziger zur Stelle gewesen
     sei, um dem verzweifelten Straßenbahnschaffner zu helfen, die Bahn wieder aufs Gleis zu schieben, und soetliche alte Leutchen vor einer Unterzuckerung zu bewahren.
    Elke rührte das alles nicht. Aus wundgeweinten Augen schaute sie Schmalenbach an und sagte: »Hast du wirklich vergessen, was
     für ein Tag heute ist?«
    Was für einen Tag hatte er vergessen? Den Weltspartag? Den Tag des Baumes? Oder den Weltfrauentag? Wie konnte er? Wo er doch
     wusste, wie sensibel Elke mit Gedenktagen umging.
    Und dann glaubte er auch noch, die Antwort gefunden zu haben. Elke mahnte doch zu Recht ihren Tag an. Ihren Tag! Den Tag,
     an dem sie sich vor nunmehr zwanzig Jahren begegnet waren. Oder waren es dreißig? Egal   – Hauptsache, er wusste, worum es ging. Als gewiefter Werbetexter konnte er nun mit diesem Problem umgehen. Er konnte es wegtexten.
     Und das tat er dann auch.
    »Ich werde doch diesen Tag nicht vergessen, Elke. Unseren großen Tag. Eher vergesse ich Weihnachten. Oder meinen Geburtstag.«
    »Meinen hast du ja schon mal vergessen   …«
    Ja, aber doch nur, weil Manderscheid ihn aufgehalten hatte. Angeblich hatte der umtriebige Medienmensch eine Einladung zu
     »Lanz kocht« gehabt und nicht gewusst, womit er dort glänzen sollte. Schmalenbach hatte dem Freund Elkes legendäres Gorgonzolasoßen-Rezept
     erläutern müssen und war deshalb eine, höchstens zwei Stunden zu spät zu dem Roastbeef gekommen, das Elke extra für ihren
     Geburtstagsschmaus besorgt hatte. Auch noch bei einem schweineteuren Biobauern, der nur an Kunden verkaufte, denen er unbedingt
     vertraute.
    »…   das war was anderes, Elke. Aber unseren Tag habeich natürlich auf dem Schirm. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Du hast diesen ultraknappen roten Minirock getragen
     und die Bluse, die eigentlich nur aus Spaghettiträgern bestand. Du warst die süßeste Sachbearbeiterin im Rhein-Main-Gebiet
     und ich der glücklichste Germanistikstudent mit Taxischein.«
    »Schau mal auf den Kalender! Wir haben Mitte Februar. Glaubst du, ich laufe im Winter im Mini und mit Spaghettiträgern herum?«
    »Jetzt fällt’s mir ein: Als wir uns zum ersten Mal sahen, hast du Keilhosen und einen Muff getragen. Ich dachte noch: Wie
     geschmackvoll diese junge Frau sich kleidet. Du hast entzückend ausgesehen.«
    »Quatsch!« Elke verlor langsam die Geduld mit ihm. »Wir sind uns im Sommer im Holzhausenpark begegnet – und du warst deutlich
     angetrunken. Meine Mutter hat mich ja gewarnt. Aber wie gut es gewesen wäre, auf seine Mutter zu hören, bemerkt man immer
     erst, wenn es zu spät ist.«
    Schmalenbach gab sich geschlagen. »Also nicht unser Tag?«
    »Nein. Auch nicht der Tag der Deutschen Einheit oder der Tag der offenen Tür. Heute ist Valentinstag – und du hast ihn vergessen,
     Schmalenbach.«
    Das war natürlich fatal. Valentinstag. Ausgerechnet. Wie kam er da bloß wieder raus?
    »Aber der Valentinstag – das ist doch der Gedenktag der Verliebten, Elke!«
    Woraufhin Elke nun leider vollends in Tränen ausbrach. Schmalenbach machte an diesem Tag aber auch alles falsch.
    »Ich meine damit ja nur: Wir sind eigentlich schon lange nicht mehr ineinander verliebt   …«
    Elke weinte haltlos – und Schmalenbach kam sich vor wie ein betrunkener Elefant.
    »…   wir sind doch längst ein gereiftes Paar. Zwei Menschen, die wissen, dass sie zueinandergehören. Und dass sie
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