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0612 - Eine Nacht im Hexenschloß

0612 - Eine Nacht im Hexenschloß

Titel: 0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
Autoren: Jason Dark
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Die Tür fiel zu, und es klang wie ein Schuß!
    Ronald Archer, der vor dem Stehpult gestanden und in Unterlagen geblättert hatte, zuckte zusammen. Sein erschreckter Blick glitt zur Tür, wo die zweite Stehlampe ihren Schein gegen das dunkle Holz warf, das von dem heftigen Aufprall her noch zitterte.
    Archer war irritiert. Er strich durch seinen graublonden Kinnbart.
    Dieser Mann gehörte zu den Menschen, die erst nachdachten und dann handelten. Als Historiker und Bibliothekar war er es gewohnt, über Probleme zu grübeln.
    Weshalb war die Tür zugefallen?
    Kein Fenster stand offen, also hatte auch kein Durchzug entstehen können. Das war schon seltsam. Archer hatte sie bewußt offengelassen, um in den Flur schauen zu können, wo die alten Rüstungen standen, die Gemälde an den Wänden hingen und die Holzbohlen des Fußbodens bei jedem Schritt knarrten.
    Er hätte es demnach gehört, wenn jemand über den Gang in Richtung Tür geschlichen wäre.
    Archer griff zur Brille. Ein randloses Gestell mit zwei kreisrunden Gläsern.
    Der Mann bewegte sich auf das Fenster zu. Es war groß und breit, wie es sich für ein Schloß wie dieses gehörte. Vielleicht stand es doch etwas offen…
    Nein, es war geschlossen. Kein Hauch der kalten Novemberluft drang durch die Ritzen. Sein Blick fiel in den Schloßgarten, ein verwildertes Gelände. Er sah auch den Wassergraben, dessen Oberfläche dunkelgrün schimmerte. Er schaute weiter bis zu den Hügeln, wo die meisten Bäume ihre Blätter längst verloren hatten.
    Archer hob die Schultern und drehte sich wieder um. Er war Wissenschaftler, kein Detektiv und hatte von einer Firma die Aufgabe übernommen, das Schloß zu durchforsten, abzusuchen nach irgendwelchen bibliophilen oder historischen Kostbarkeiten, die möglicherweise Museen zur Verfügung gestellt oder für viel Geld verkauft werden konnten. Das war seine Arbeit seit zwanzig Jahren, die er stets gewissenhaft durchführte. Bei ihm hatte es noch nie Peinlichkeiten oder Pannen gegeben.
    Eine stille Welt umgab ihn. Das Schloß und der Garten wurden von dieser Ruhe umfangen, zu der auch die grauen Schleier gehörten, denn vom Boden her stieg der dünne Nebel wie Fahnen.
    Allein in einem Schloß, das war nicht jedermanns Sache, doch Archer spürte keine Furcht. Oft genug hatte er die alten Gemäuer durchforscht, und ein Geist war ihm dabei noch nie begegnet, obwohl viele seiner Landsleute an Geister glaubten.
    Ihm war auch klar, daß es kein Geist gewesen war, der, die Tür ins Schloß geschmettert hatte. Sie mußte einfach von selbst zugefallen sein, obwohl er sich da nicht so sicher war. Deshalb ging er hin.
    Zunächst dämpfte der dicke Teppich seine Schritte. Als er ihn verließ, knarrten die Bohlen. Sie lagen als breite Scheite nebeneinander, waren hell und an einigen Stellen schon gesplittert. Wer das Schloß kaufte, hätte es auch renovieren müssen.
    Dann hörte er das Geräusch.
    Die Hand, die schon fast die Klinke berührte, blieb in der Bewegung stehen und sah aus, als würde sie in der Luft hängen. Das Geräusch wurde zwar durch die dicken Schloßmauern gedämpft, aber der Wissenschaftler hatte es trotzdem identifiziert.
    So weltfremd war er nicht, als daß er einen Hubschrauber nicht herausgehört hätte.
    In dieser einsamen Gegend hatte er einen Hubschrauber oder ein Flugzeug noch nicht gehört. Rasch drehte er sich um, eilte zum Fenster, konnte die Maschine aber nicht sehen, deshalb öffnete er es, um sich hinauszulehnen.
    Die Luft war kalt und drückte. Wie ein Paket preßte sie sich in sein Gesicht und stach in die Lungen, wenn er tief durchatmete. Auf den Bäumen lag noch der hell schimmernde Raureif wie eine glitzernde Schicht. Der Himmel war trüb und wolkengrau.
    Er hörte das Geräusch viel lauter als zuvor, nur sah er den Hubschrauber nicht.
    Das wollte Ronald Archer nicht in den Kopf. »Verdammt, den habe ich mir doch nicht eingebildet!« beschwerte er sich, »der muß doch irgendwo herumfliegen.«
    Er konnte sich nicht einmal auf eine bestimmte Richtung konzentrieren, weil ihm das Geräusch, von allen Seiten kommend, irritierte.
    Schließlich blickte er in die Höhe und gleichzeitig etwas nach rechts.
    Da sah er den Schatten.
    Er war mächtig und dunkel. Über ihm bewegten sich die Rotorblätter und bildeten einen in der Luft stehenden Kreis, der permanent den dünnen Dunst zerschnitt, ohne allerdings richtige Lücken schaffen zu können.
    Das Herz klopfte ihm schneller, als er den Hubschrauber sah. Er glitt
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