Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Tarzan Du Jane Verfuehrung kann so einfach sein

Ich Tarzan Du Jane Verfuehrung kann so einfach sein

Titel: Ich Tarzan Du Jane Verfuehrung kann so einfach sein
Autoren: Roman Breindl
Vom Netzwerk:
und wollten unsere Kumpels sein. Die Alten waren genau das Gegenteil. Ganz klar waren uns die Jungen lieber, und wir nutzten ihren kameradschaftlichen Umgang aus. Bei den jungen Lehrern konnten wir quatschen, Papierflieger werfen und mussten nicht aufpassen. Bei den Alten hagelte es Strafarbeiten, Nachsitzen und schlechte Noten. Im Lehrerzimmer saßen die Jungen an einem Tisch und die Alten am anderen. Nur im Raucherzimmer saßen alle beieinander. Das war zu klein, da mussten sie miteinander auskommen.
    Herr Stritmatter war der jüngste der jungen Lehrer. Er hatte einen schwarzen Vollbart, trug grüne Strickpullover und kam mit Schlappen an den Füßen zur Schule. Am Revers trug er einen orangefarbenen Sticker, auf dem stand: „Frieden schaffen ohne Waffen“. Schrieben wir eine Deutscharbeit, dann holte er sein Strickzeug hervor und klapperte mit den Nadeln, während wir eine Erörterung zu Die neuen Leiden des jungen W. verfassen mussten, eine stinklangweilige Geschichte von Ulrich Plenzdorf, die es in keiner Weise mit Moby Dick aufnehmen kann.
    An diesem Morgen schrieben wir keine Deutscharbeit. An diesem Morgen stand Ärger ins Haus, und der kam so überraschend, dass ich glatt Regel Nummer drei verpennte.
    Herr Stritmatter stürmte ins Klassenzimmer, sah uns an und sagte: „Gehen wir.“
    Wir blickten ihn verdattert an und hatten keine Ahnung, was er meinte.
    „Na los“, sagte Herr Stritmatter.
    „Nicht so lahmarschig“, sagte Herr Stritmatter.
    „Widerstand ist machbar, Herr Nachbar“, sagte Herr Stritmatter.
    Solche Töne hatten wir von einem Lehrer bis dato nie gehört, doch sie gefielen uns. Ein paar der Jungs gaben Affenlaute von sich, die Mädels kicherten.
    Dann ging die Tür auf, und Herr Hunzinger steckte seinen Kopf rein. „Deine Gruppe fertig, Gerd?“, fragte er.
    „Fertig, Bruno“, sagte Herr Stritmatter.
    Er sagte, wir sollten ihm folgen, und ging hinaus. Draußen warteten bereits Herr Hunzinger mit seiner Klasse, Frau Burkhardt mit ihrer Klasse und noch ein paar andere junge Lehrer, umgeben von ihren Schülern. Ich sah Herrn Roth, der Musik unterrichtete. Er hatte eine Gitarre umgeschnallt. Wir marschierten auf den Schulhof, die Lehrer setzten sich hin und forderten uns auf, ihrem Beispiel zu folgen. Wenn es ein Spiel war, so war es auf jeden Fall ein lustiges. Da saßen wir also, Herr Roth zupfte ein paar Akkorde, und auf einmal fingen die Lehrer an zu singen.
    „We shall overcome“, sangen sie, „we shall overcome. We shall overcome some day.“
    Das war Englisch, und mir war nicht klar, was der Text bedeutete. Doch der Refrain war einfach, und ein paar Oberstufenmädchen begannen mitzusingen. Wir Jungs taten, als gehörten wir nicht hierher, aber als Herr Stritmatter sagte: „Na los, ihr Schlümpfe, macht den Mund auf“, fielen wir ebenfalls nach und nach ein.
    Wir sangen: „We shall overcome.“
    Wir sangen: „We shall overcome.”
    Wir sangen: „We shall overcome some day.”
    Das Singen hatte einen seltsamen Effekt auf mich. Ich hatte zwar noch immer keinen Schimmer, was los war, aber eine innere Stimme sagte mir, dass von heute an vieles anders sein würde.
    Ich hatte nichts dagegen, wenn von heute an vieles anders sein würde.
    Auch wenn Gregor der Wachsame, Gregor das Arschgesicht, Gregor der Warmpisser eigentlich keine Veränderungen mochte. Vielleicht dachte ich ja an Frodo und was ihn dazu bewegt hatte, Saurons Ring zu nehmen, als die Großen und Mächtigen von Mittelerde ratlos waren, wie sie mit dieser Bürde umgehen sollten.
    Vielleicht dachte ich ja an Moby Dick und was ihn dazu gebracht hatte, die Walfänger zu attackieren, die ihn töten wollten.
    Vielleicht war es etwas, das schon lange in mir schlummerte und nun langsam erwachte.
    Wir Schüler und die Lehrer sangen: „We shall overcome some day“, und auf einmal kreischte die Sirene los.
    Die Sirene hockte auf dem Dach der Schule, und sie kreischte nur, wenn Brandübung war.
    Jetzt war keine Brandübung, aber aus der Schule kamen der Direx und ein Trupp alter Lehrer gerannt. Sie pflügten mitten in den Kreis singender Schüler und Lehrer, und der Direx riss Herrn Roth die Gitarre aus der Hand.
    Vor dem Direx hatten wir keinen Respekt, sondern Angst. Er sah immer aus wie einer, der kurz vor einem Tobsuchtsanfall stand. Jetzt sah er aus wie einer, der schon ein paar Schritte weiter war.
    „Schluss, fertig, aus!“, schrie er. „Alle zurück in die Schule! Roth, Hunzinger, Stritmatter – sind Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher