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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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und war nicht nur lebend wieder herausgekommen, sondern mit einem wertvollen Schatz: mit der Information, die den Impressionisten aufhalten würde. Jazz fühlte sich wie neugeboren. Wie ein völlig neuer Mensch, dessen ganzes Leben vor ihm lag.
    Er sah etwas in der Mittelkonsole des Jeeps liegen und griff bei der nächsten roten Ampel danach. Es war Jeff Fultons Visitenkarte. Jazz dachte an Fultons aufwühlende Rede bei der Trauerfeier für Ginny und seufzte. Würde es wirklich irgendwem schaden, wenn er fünf Minuten lang mit dem Mann sprach? Jazz wollte keinen Präzedenzfall für Gespräche mit den trauernden Angehörigen der Opfer seines Vaters schaffen, aber es gab keinen Grund, Fulton gegenüber nicht ein wenig freundlich zu sein. Er würde ihn am Morgen anrufen. Es war etwas, was kein Serienmörder je tun würde, etwas, das kein Soziopath sich auch nur vorstellen konnte. Allein bei dem Gedanken fühlte sich Jazz gut.
    Zu Hause waren die Scharen der Reporter zu seiner Überraschung verschwunden. Ein einsamer Polizist saß immer noch in einem Streifenwagen in der Einfahrt, und Jazz fragte ihn, was aus der Meute geworden war.
    » Tanner hat vor ein paar Stunden einige Leute herübergeschickt, die herumerzählten, dass du und deine Großmutter in Schutzhaft seien, weil es Drohungen gegen dich gegeben habe.«
    » Und gab es welche?«
    » Ich weiß es nicht.« Dem Beamten war sichtlich nicht wohl bei der Unterhaltung. » Jedenfalls sind jetzt alle weg. Willkommen zu Hause.«
    Jazz ging ins Haus und sperrte ab. Er sah nach Gramma, die immer noch selig schlummerte. Sein Magen knurrte und rumpelte, und ihm wurde bewusst, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.
    Alles, was er in der Küche zu essen fand, war Eiscreme, die von einem Flaum aus Kristallen überzogen war, und zwei traurig aussehende Hühnerschenkel von der Portion, die Melissa Hoover vor Tagen für Gramma mitgebracht hatte. Er setzte sich an den Tisch und aß sie kalt, dann kratzte er die oberste Schicht von der Eiscreme und aß das Zeug darunter, das schal schmeckte, aber essbar war.
    Während seines Mahls sah er durch die Küchentür in Grammas Garten. Im Frühjahr und Sommer war er ein Albtraum aus Unkraut, Disteln und überlangem Gras, der sich über einen halben Hektar erstreckte. Aber jetzt im Herbst war bis zum Geräteschuppen alles nur tot und platt gedrückt.
    Bis auf das Vogelbad.
    An dem Vogelbad war nichts Besonderes. Ein rissiger Betonsockel. In der Mitte die Skulptur eines Fischs, der Wasser in ein Becken spie. In ein paar Wochen würde es zu kalt werden, und Jazz würde den Schlauch für das Vogelbad abmontieren.
    Doch im Augenblick sprudelte das Wasser noch fröhlich dahin. Und weit und breit war kein Vogel zu sehen.
    Ja, ich helfe dir, Jasper, hatte Billy gesagt. Aber du musst mir auch helfen.
    Was dann? Jazz erinnerte sich, wie er die Hände frustriert in die Höhe geworfen hatte. Was willst du?
    Er stand auf, warf das restliche Eis in den Müll und ging zu dem Vogelbad hinaus.
    Kennst du dieses alte Vogelbad, das meine Mutter in ihrem Garten hat?
    Ja. Ja, ich kenne es. Was …
    Sei still und hör zu, Jasper. Ich habe dir zugehört, jetzt hörst du mir zu. Dieses verdammte Ding … Sie hat es seit meiner Kindheit. Und ich sage ihr seit vierzig Jahren, es lockt keine Vögel an, weil sie es am falschen Ort aufgestellt hat.
    Wie bitte? Was hat das mit …
    Ich sagte, sei still und hör zu, Jasper! Zum ersten Mal hatte Billy aufgebracht gewirkt. Unbeherrscht.
    Wegen eines Vogelbads.
    Das Bad ist nach Westen orientiert. Verstehst du? Es bekommt kein Morgenlicht, und genau das wollen die Vögel. Es muss ans gegenüberliegende Ende des Rasens versetzt werden. Ich wollte sie dazu bewegen, es umzustellen, aber sie hört ja nie auf einen. Und dann keift sie herum und beschwert sich, dass sie keine Vögel beobachten kann.
    Und ich soll also … Jazz hatte angestrengt überlegt. Soll ich als Gegenleistung für deine Hilfe Gramma überreden, das Vogelbad umzu…
    Nein, du sollst sie zu gar nichts überreden. Stell das verdammte Ding einfach um. Geh raus, wenn sie schläft, und stell es einfach um. Dorthin, wo dieser große alte Bergahorn steht. Wenn sie alle ihre Vogelfreunde sieht, wird sie nichts dagegen sagen. Und wenn sie sich beschwert oder fragt, sag ihr einfach, dass es immer schon dort stand. Sie ist schon so plemplem, dass sie es nicht mehr wissen wird.
    Und das, hatte Jazz ungläubig gefragt, ist der Preis für deine Hilfe?
    Billy
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