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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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um klar zu sehen. Der Raum nahm plötzlich Gestalt an: Er war in seinem eigenen Zimmer. Mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt. Auch seine Knöchel waren gefesselt. Er war genauso angekettet, wurde ihm bewusst, wie Billy zuvor im Gefängnis. Fulton saß auf der Schreibtischkante.
    » Bist du jetzt wach, ja?«, fragte Fulton. » Gut. Gut.« Er stand auf und ging zu Jazz. » Ich nehme dir nun den Knebel heraus. Wenn dir nach Schreien zumute ist, dann nur zu. Stört mich überhaupt nicht. Niemand in der Nähe, der dich hören könnte. Das nächste Haus ist… Aber ich schätze, das weißt du ja selbst, oder? Und der Polizist draußen… nun, der ist im Moment gerade nicht so wahnsinnig aufmerksam.«
    Er nahm ihm den Knebel ab. Jazz holte tief Luft. Er hätte gern aus Leibeskräften geschrien, aber er wusste, dass Fulton die Wahrheit gesprochen hatte.
    Also sagte er stattdessen: » Was wollen Sie?«
    Fultons Augen funkelten. Er redete ohne Groll. » Was ich will? Oh, ich will eine Menge Dinge, Jasper Francis Dent. Zum Beispiel will ich deine hübsche kleine Freundin tot sehen. Ich will sie ausweiden und ihre Innereien in einem Haufen auf dem Boden vor dir liegen sehen.«
    Jazz presste die Lippen zusammen. » Geht es also darum? Um Rache für Ihre Tochter? Wollen Sie Connie und mich töten, um Billy bezahlen zu lassen? Das bringt Ihnen Ihre Tochter nicht zurück.«
    Fulton schaute überrascht drein. » Meine Tochter? Wovon…? Ach so.« Seine Miene heiterte sich auf. » Ach«, lachte er, » ach, das ist köstlich! Du hältst mich immer noch für Fulton!« Er holte ein Taschentuch hervor und wischte sich ein wenig Theaterschminke aus dem Gesicht, was ihn sofort etwas jünger und weniger müde aussehen ließ. Dann fummelte er in seinen Augen herum und entfernte ein Paar Kontaktlinsen. Er fixierte Jazz mit einem neuen Blick– aus strahlend blauen Augen.
    Jazz blinzelte rasch ein paar Mal, um die letzte Benommenheit zu vertreiben. Er kannte diese Augen. Er hatte sie für einen winzigen Moment gesehen, als der Impressionist auf Ginnys Sofa gesprungen war, um durch das Fenster zu verschwinden.
    Der Impressionist lachte heiser. » Weißt du was, Jasper? Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob es funktionieren würde. Selbst mit den Kontaktlinsen. Ich dachte, du müsstest mich durchschauen. Gerade du. Aber nachdem ich dich dann das erste Mal angesprochen hatte, da wusste ich, ich hatte dich. Denn du konntest mich kaum ansehen. Ich hätte mir DER IMPRESSIONIST auf die Stirn tätowieren können, und du hättest es nicht bemerkt.– Mein Gott«, fuhr er fort. » Ich habe dir jede Chance gelassen. Ich bin so nahe an der Sonne vorbeigeflogen für dich. Als ich auf der Gedenkfeier für diese Frau gesprochen habe…« Er machte einen Atemzug, aus dem tiefste Zufriedenheit sprach. » Als ich bei der Gedenkfeier gesprochen habe, Jasper– ich dachte, ich müsste an Ort und Stelle platzen. Ich dachte, es müsste mich zerreißen vor schierer Freude. Wie sie mich alle angesehen haben. Und niemand wusste Bescheid. Es war herrlich. Herrlich.«
    Jazz’ Eingeweide zogen sich zusammen, und einen gefährlichen Moment lang glaubte er, er würde sich in die Hosen machen wie ein Kleinkind. Der Impressionist war die ganze Zeit direkt vor seiner Nase gewesen. Hatte mit ihm gespielt. Ihn manipuliert. Jazz hatte auf der ganzen Linie versagt– er hätte den Mörder nach dem Tod von Fiona Goodling stoppen können und dazu nichts weiter tun müssen, als im Internet nach einem Bild von Jeff Fulton zu suchen.
    Der Impressionist kehrte zu seinem Platz zurück; er saß jetzt selbstbewusster da, als hätte er mit seiner Tarnung auch die letzten Reste von Jeff Fultons trauriger, bedrückter Persönlichkeit abgelegt. » Kapierst du es jetzt?«, fragte er. » Verstehst du?«
    » O ja«, sagte Jazz und überlegte rasch. Er war körperlich stark beeinträchtigt, also war Psychologie alles, was er auf seiner Seite hatte. Er wusste, wie Soziopathen dachten. Speziell dieser hier, der seinen eigenen Vater nachahmte. » Sie versuchen, mich aus dem Spiel zu nehmen. Sie glauben, Billy braucht keinen weiteren Zögling, weil er mich hat, und wenn Sie mich loswerden, können Sie meinen Platz einnehmen.«
    Der Impressionist honorierte diese Bemerkung nicht mit Gelächter. Er schnaubte nur. » Du kapierst überhaupt nichts. Du hast keine Ahnung, worum es hier geht. Du kannst es dir nicht einmal ansatzweise vorstellen. Du bist Billy Dents Sohn, der offenkundige Erbe,
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