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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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als ein Traum.
    Es war eine Erinnerung.
    Er hatte schon einmal ein Messer gehalten.
    So wie jetzt.
    Genauso wie jetzt. Mit fremden Händen um seine Hände. Die ihn führten.
    Aber es waren seine eigenen Hände am Griff. Genau wie damals.
    Der Impressionist hatte eine Hand auf Jazz’ Rücken und dirigierte ihn näher zu Gramma, die ahnungslos dalag, im Schlaf zuckte und schnarchte. » Das ist dein erstes Mal«, sagte er, » deshalb will ich es dir leicht machen. Sie wird so schnell nicht aufwachen. Ha!« Er lachte. » Sie wird nicht aufwachen, Punkt. So. Jetzt geht’s los.«
    Er postierte Jazz so, dass er sich über Gramma beugte, die Messerspitze drückte in ihr Nachthemd zwischen und leicht unter den schlaffen Brüsten. » Du musst nichts weiter tun, als dich mit deinem Gewicht darauflegen«, flüsterte der Impressionist. » Das Messer wird genau unter ihr Brustbein gleiten und ins Herz eindringen. Sie ist alt. Schwach. Gebrechlich. Es wird schnell gehen. Sie wird es nicht einmal richtig spüren, falls dir das Kummer macht. Danach wirst du dich sehr viel besser fühlen. Dann können wir uns deine Freundin holen.«
    » Nein«, flüsterte Jazz. Ein sehr dunkler, sehr gestörter und auch sehr realer Teil von ihm wollte seine Großmutter immer noch tot sehen, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er sich von diesem Mann dazu zwingen ließ, es zu tun. » Ich werde es nicht tun.«
    » Doch, das wirst du«, flüsterte der Impressionist, und seine Stimme war verführerischer als jede Sirene. » Du willst es. Du wirst es tun.« Sein Atem strich warm und sanft über Jazz’ Ohr. » Du wirst es tun. Und wenn nicht…«
    Und wenn ich es nicht tue …
    Wenn er es nicht tat, würde sie trotzdem bald tot sein. Sie war eine alte Frau. Bei schlechter Gesundheit. Mit einem Gehirn, das kaum noch funktionierte. Und ihre einzige Hilfe war ein Enkel, der sie häufig betäubte und unbeaufsichtigt ließ.
    Würde es wirklich irgendwem schaden, wenn er es tat? Wenn er sie aus dieser Welt entfernte? Wer würde sie vermissen? Niemand, kein Mensch.
    Dank Melissa Hoover und des Sozialdienstes würde man ihn ohnehin bald von ihr trennen. Und Gramma würde den Tod einem Altersheim vorziehen.
    Oder?
    … wie Hähnchen, wie Hähnchen schneiden, mehr ist nicht dabei, wie Hähnchen …
    Sie würde sowieso bald sterben, sagte er sich. Und wenn er sie tötete, würde der Impressionist seine Handschellen aufschließen, er würde ihm vertrauen, und Jazz konnte…
    Er konnte…
    Er w ürde dieses Vertrauen ausnützen. Das Messer behalten. Den Impressionisten glauben lassen, er habe gewonnen. Und dann…
    Ihn töten.
    Ja. Jazz’ Herzschlag beschleunigte sich. Ja, das würde funktionieren. Er konnte es jetzt sehen. Gramma würde noch nicht einmal ganz verblutet sein, wenn er sich gegen den Impressionisten wandte, der nicht darauf gefasst wäre. Er würde es genau so machen, wie es ihm Billy beigebracht hatte– ein schneller Stich ins Herz. Eine Drehung nach links. Oder wenn das nicht ging, ein Hieb quer über die Halsschlagader, die fett und prall und so verlockend offen lag und pulsierte, als wollte Gott, dass wir sie durchschneiden, wie Billy immer gesagt hatte. Das…
    Nein. Er blinzelte heftig, bis er keine nutzlose alte Frau mehr vor sich sah, sondern seine Großmutter. Was war nur in ihn gefahren? Nein. Nein!
    Hatte er tatsächlich gerade erwogen, zwei Morde binnen Minuten zu begehen?
    » Ich werde es nicht tun.« Jazz versuchte mehr, sich selbst zu überzeugen, als sich dem Impressionisten zu widersetzen.
    » Wenn du es nicht tust, Jasper, dann tue ich es.« Die Worte klangen jetzt hart, der zuvor sanfte Atem ging rau und schnell. » Ich werde sie aufwecken und mit den Augen anfangen. Für sie werde ich › der Künstler‹, Green Jack und der Gentle Killer in einem sein, und wir werden ja sehen, wie lange Granny durchhält, wenn ich ein Stück nach dem andern aus ihr herausschneide, nicht?«
    In diesem Augenblick bemerkte Jazz etwas. Etwas, das der Impressionist nicht sehen konnte, da er Jazz ansah.
    Schatten.
    Schatten, die sich in dem Licht bewegten, das unter der Tür vom Flur hindurchfiel.
    Da draußen war jemand.
    » Hilfe!«, schrie Jazz, bevor er es sich anders überlegen konnte. » Hilfe!«
    Der Impressionist lachte höhnisch. » Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass dich niemand…«
    Er brach ab, als jemand im Flur an die Tür hämmerte.
    » Was zum Teufel…?« Der Impressionist blickte zur Tür, hielt aber Jazz weiter so fest, dass
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