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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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ist ein Impressionist. Weißt du denn nichts über Impressionismus?«
    Jazz schüttelte den Kopf.
    » Was bringen sie euch heutzutage eigentlich in der Schule bei?«, sagte Billy und parodierte ein besorgtes Elternteil. Jazz hatte den Eindruck, Billy würde jeden einzelnen Lehrer in Lobo’s Nod töten, wenn er könnte, um seine Aussage zu unterstreichen. » Bei Impressionismus geht es nicht darum, was ist, es geht um den Eindruck, den etwas macht. Um die Wirkung von etwas auf den Betrachter, nicht um die genauen Einzelheiten. Kannst du mir folgen?«
    » Ich denke schon.«
    » Wenn wir jetzt dieses letzte Opfer nehmen, diese arme Heller…« Billy brachte es fertig, einigermaßen betrübt über ihr Hinscheiden zu klingen. » Sie war nicht direkt ein Zimmermädchen, aber sie kam ihm nahe genug, verstehst du? Das war für ihn wichtig.«
    » Er hat sie außerdem zu früh getötet. Bei dir gab es zwischen dem vierten und dem fünften Opfer eine Verzögerung.«
    » Und? Geh mal in ein Museum, mein Sohn, und schau dir einen Monet an. Geh ganz nahe ran, so nahe sie dich lassen, und dann sag mir, an welchem Tag der gute alte Claude einen Pinselstrich im Verhältnis zu einem anderen gesetzt hat. Die zeitliche Abfolge spielt keine Rolle. Nicht für diesen Kerl. Ihm geht es um den allgemeinen Eindruck.«
    Das klang einleuchtend. Aber es löste das grundlegende Problem nicht.
    » Inwiefern hilft uns das herauszufinden, wer sein nächstes Opfer sein wird?«
    Billy seufzte und verdrehte die Augen, als fragte er Gott, warum er eigentlich alles allein machen musste. » Achte darauf, wie er Einzelheiten entstellen und trotzdem im Großen und Ganzen dieselbe Wirkung erzielen kann. Wie bei eurer Lehrerin– sie war nicht direkt eine Schauspielerin, aber nahe dran. Das Gleiche wird es hier sein: Er wird sich keine blonde Mieze irgendwo in einem Bürogebäude schnappen. Er wird nach der Sekretärin des Rotary Clubs suchen oder nach dem Mädchen, das bei den Treffen der Elternvertretung den Kaffee macht.«
    » Aber…«
    » Nichts aber!«, zischte Billy und brauste zum ersten Mal auf. » Dieser Kerl ahmt nach, aber er kopiert nicht exakt. Er hat eine Niedriglöhnerin in eurer Imbissbude umgelegt. Mein Mädchen war Serviererin in einem schicken Bistro direkt am Strand. Viel Touristengeschäft. Hat an einem Abend mehr Trinkgeld verdient als das Mädchen von diesem Typen in einer Woche.« Billy sprach, als gehörten ihm seine Opfer, und in gewisser Weise war es vielleicht so. Seine Verachtung für den Impressionisten war plötzlich nur zu offensichtlich. » Ich habe Vanessa Dawes getötet. Die schöne Vanessa.« Er seufzte und lehnte sich mit einem Gesichtsausdruck zurück, als erinnerte er sich an ein köstliches Essen. » Sie war Schauspielerin. Ihre Karriere war noch ganz am Anfang, sicher, aber sie war bereits im Fernsehen gewesen und sehr vielversprechend. Und wen hat dieser Kerl getötet? Eure Theaterlehrerin! Und das soll dasselbe sein? Das ist doch wohl ein Witz, oder?«
    Erregung und Zorn durchfluteten Jazz gleichermaßen, und er war bemüht, sich beides nicht anmerken zu lassen. Das war genau das, wonach er gesucht hatte. Er hätte es die ganze Zeit sehen müssen. Der Impressionist hielt sich an den Geist von Billys Verbrechen und veränderte die Details nach seinen eigenen Bedürfnissen. Alle Opfer waren denen von Billy so ähnlich, dass Jazz die Unterschiede nicht gesehen hatte.
    » Wenn wir das nächste Opfer finden, finden wir ihn«, sagte Jazz.
    » Vielleicht. Aber du musst dir auch überlegen, wie du den Kerl identifizieren kannst. Er ist ein Teil unserer kleinen Heimatstadt, Sonnyboy.« Billy grinste. » Er holt sich sein Frühstück im Coff-E-Shop und leiht sich wahrscheinlich Bücher in der Stadtbücherei aus. Er fühlt sich wohl in Lobo’s Nod. Nachdem er so viele dort tötet… Ja, er fühlt sich wohl dort.«
    In Jazz erwachte ein Gedanke. » Du glaubst, er ist ein Einheimischer? Jemand aus der Stadt, der dich kannte, vielleicht? Oder aus der Gegend?«
    Billy zuckte mit den Achseln. » Spielt eigentlich keine Rolle. Was zählt, ist, dass er sich einfügt. Nicht auffällt. Das ist nämlich unsere herausragende Eigenschaft, Jasper. Die Leute glauben, wir wüssten vor allem, wie man eine Leiche zerteilt oder ein hübsches kleines Ding ins Auto lockt. Nein, das ist Quatsch. So etwas kann man aus dem Internet lernen. Unser wahres Können besteht darin, unauffällig zu sein. Das ist die Sache, die wir beherrschen.« Er
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