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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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garantiere dir, er hat keinen Kontakt mit mir aufgenommen.« Billy strich sich mit dem FEAR -Tattoo übers Kinn. » Er glaubt, er ist er selbst. Er macht eine Variation über ein Thema. Wie Jazzmusiker, die eine Melodie auf ihre Weise abändern.«
    » Wie Rapper, die alte Rocknummern sampeln?«
    Billy schnaubte. » Wenn du das besser verstehst… Sicher, wie diese Hip-Hop-Idioten. Und er macht seine Sache gut. Niemand ist ihm bisher entkommen. Das ist nicht so einfach, weißt du. Die meisten von diesen Schwachköpfen– Typen wie Gacy, Bundy und selbst dieses Arschloch von Dahmer–, die meisten lassen irgendwann jemanden entkommen. Entweder absichtlich oder aus Versehen kommt jemand davon, und das ist der Anfang vom Ende. Aber nicht ich.« Seine Augen funkelten, die kältesten Saphire der Welt. » Ich habe nie irgendwen entkommen lassen. Ich habe nie gepfuscht.«
    » Genau wie dieser Typ«, sagte Jazz, um das Gespräch wieder auf ihr Thema zu bringen.
    » Er fängt natürlich gerade erst an. Jeder Trottel kann– wie viel– fünf Leute umbringen, ohne dass sie ihn kriegen. Wenn er nach zwanzig oder dreißig immer noch frei herumläuft und eine weiße Weste hat, dann kannst du wiederkommen. Dann werde ich angemessen beeindruckt sein. Ich backe ihm eine Torte oder so.« Billys Miene heiterte sich auf. » Hier hast du deine Antwort, Jasper. Du musst den Kerl nicht fangen. Warte einfach. Er wird irgendwann über seine eigenen Füße stolpern, und dann hast du ihn.«
    » Das ist wohl kaum eine akzeptable Lösung«, sagte Jazz ruhig.
    Billy zuckte mit den Achseln. » Warum nicht? Fünf Tote, fünfzehn Tote, fünfzig Tote… alle sterben irgendwann. Das ist eine Tatsache. Der Zeitpunkt ist nur ein Detail.«
    » Ich will nicht, dass noch mehr Menschen sterben.«
    » Wirklich?« Billy beugte sich vor und berührte den unsichtbaren Zaun fast wieder. » Wirklich, Jasper? Denn lass mich dir etwas sagen. Ich glaube nicht, dass du dir wirklich etwas aus diesen Menschen machst. Und weißt du, woher ich das weiß?«
    » Sag es«, antwortete Jazz tonlos. Innerlich aber schlug sein Herz laut bei der Vorstellung, von dem Menschen analysiert zu werden, der ihn am besten kannte.
    » Weil diese Leute, diese… mythischen Leute irgendwo › da draußen‹, die er noch nicht getötet hat… Du kennst sie gar nicht, Jasper. Sie bedeuten dir nichts. Warum sollte es dich also kümmern, wenn er sie tötet. Genau in diesem Augenblick stirbt jemand.« Billy klopfte leicht mit der LOVE -Faust auf den Tisch. » Und jetzt.« Wieder ging das LOVE auf und nieder. » Und jetzt. Ein Bettler in Indien, ein Mexikaner an der Grenze, ein Mädchen in New York City, das von einer Karriere als Model träumt und stattdessen in die Prostitution geschickt wird. Sie alle sterben jetzt und jetzt und jetzt«– immer von einem Klopfen auf den Tisch begleitet–, » und was kümmert es dich? Was kümmert es mich?«
    » Dass sie abstrakt sind, heißt nicht, dass sie nicht zählen«, sagte Jazz, darum bemüht, seine Stimme nicht zittern zu lassen oder anderweitig eine Gefühlsregung zu verraten. Denn Billy hatte recht. Bis zu einem gewissen Grad. Ständig starben Leute. Er kannte sie nicht, wusste nicht einmal von ihrer Existenz. Zählten sie also?
    Menschen zählen. Menschen sind echt.
    » Es ist dir egal, ob du seine Opfer rettest. Du tust das alles für dich selbst. Dir ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass niemand glaubt, du hättest etwas damit zu schaffen. Zu beweisen, dass du ein normaler Bürger wie alle anderen bist. Darum geht es dir, Jasper.«
    Es war die Wahrheit. Keine Wahrheit, die er hören wollte oder musste, aber nichtsdestoweniger eine Wahrheit. Aber vielleicht war es nicht die ganze Wahrheit. Vielleicht gehörte zur Wahrheit mehr als Billys Zynismus.
    » Meine Motive spielen keine Rolle«, sagte er. » Du hast dich bereit erklärt zu helfen. Wirst du helfen oder nicht?«
    Billy schnalzte mit der Zunge. » Diese Ungeduld. Ich habe meinen Jungen seit Jahren nicht gesehen. Kann man es mir verübeln, wenn ich alles ein bisschen in die Länge ziehe?« Er setzte ein engelhaftes Unschuldslächeln auf, wie ein Kind, das dabei erwischt wurde, wie es Kekse stibitzte.
    Jazz wollte nichts davon wissen. Er starrte seinen Vater an.
    » Also gut«, sagte Billy und ließ die Schultern hängen. » Du bist ein Langweiler. Hör zu, du musst lernen, wie dieser Kerl zu denken. Sollte dir nicht schwerfallen, Jasper. Er denkt wie ich, und du bist ein Teil von mir. Er
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