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Ich komme um zu schreiben

Ich komme um zu schreiben

Titel: Ich komme um zu schreiben
Autoren: Victoria Dahl
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weiß ganz genau, was sie gemacht hat! Mann, Molly!“
    „Richtig. Wie auch immer … Ich wollte einfach nur sagen, dass es mir leidtut, falls ich dich in eine unangenehme Situation gebracht habe.“
    Unangenehm? Demütigende Höllenqual traf es da schon eher. Tiefste Kränkung. Anlass für nagende, quälende Gewissensbisse. Das Wissen, dass er ein junges Mädchen verdorben hatte. Der tiefe Schrecken in ihren Augen, als Ben aufgeblickt und sie dort mit vor den Mund gepressten Händen hatte stehen sehen. Der endlose Augenblick, in dem er einfach nicht hatte reagieren können, und wie er dann versucht hatte, „die Blondine“, wie Molly sie nannte, von ihren eifrigen Bemühungenabzuhalten. Danach hatte es zwei Jahre gedauert, bis er wieder einen Blowjob richtig genießen konnte.
    Und jetzt gestand ihm Molly, dass sie da schon eine Weile gestanden hatte, und zwar … wie lang noch mal?
    „Oh Gott.“ Er drückte sich eine nassgeschwitzte Hand gegen die Stirn. „Du warst doch noch ein Kind!“
    „Äh … na ja, nicht wirklich. Ich habe in dieser Nacht meine Jungfräulichkeit verloren, und eine Woche später bin ich achtzehn geworden. Und dann kam ja auch schon das College.“
    „Hör auf!“ Ben hielt sich die Ohren zu. „Oh! Mein! Gott!“
    Ihr gedämpftes Lachen hallte wie ein Echo durch seinen Kopf. „Ben, was ist denn los mit dir?“
    Plötzlich hatte er ein glasklares Bild von sich selbst vor Augen, wie er da in Molly Jennings’ Küche stand, sich die Ohren zuhielt und krampfhaft die Augen zupresste. Mühsam zwang er seinen Herzschlag in langsamere Bahnen und ließ die Hände sinken. Ein bisschen Würde, Chief!
    Lange, sehr lange, atmete er ganz ruhig durch. Dann sagte er: „Du warst für mich wie eine kleine Schwester! Ich fand das Ganze ziemlich verstörend.“
    „Oh, verstört hat es mich auch. Aber falls du dich damit besser fühlst …“ Sie beugte sich näher zu ihm, als wollte sie ihm ein Geheimnis verraten. Ihr einer Mundwinkel wanderte nach oben. „Für mich warst du nie so etwas wie ein Bruder, Ben Lawson.“
    „Ich …“
    Jetzt kam sie noch näher. Ihre weichen Lippen waren nur noch Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Ben konnte Kaffee riechen und irgendetwas Sauberes, Süßes. Shampoo oder Lotion oder irgendein anderes Frauenzeug. Ihre Lippen liefen dunkelrosa an und zogen Bens Blick an wie ein Magnet.
    „Und nach dieser Nacht waren meine Gefühle für dich noch viel weniger geschwisterlich.“
    „Molly …“ Großer Gott. „Ich vermute mal, du bleibst nicht nur den Winter über, oder?“
    Stirnrunzelnd wich sie zurück. „Nein, warum fragst du?“
    „Einfach nur so. Ich muss jetzt los. Besorg dir ein anständiges Auto und überprüf den Rauchanzug, wenn du den Kamin anmachst. Pass auf dich auf.“
    „Danke, Officer!“, rief sie ihm hinterher, während er auf die Haustür zuraste.
    Kaum war er draußen, katapultierte ihn die kalte Luft wieder in die Realität zurück. Ben knallte die Tür hinter sich zu und zwang sich zur Ruhe, rollte mit den Schultern und lockerte seine Kiefermuskeln.
    Ja, aus Molly war eine verdammt heiße Frau geworden. Aber trotzdem war sie verbotenes Terrain. Nichts hatte sich verändert. Nada. Niente.
    Er war fast schon bei seinem Truck, als ein weißer Pick-up um die Ecke bog. Der Wagen wurde langsamer und rollte wie in Zeitlupe an Bens Auto vorbei. Durch die Windschutzscheibe konnte Ben das gaffende, zerknitterte Gesicht von Miles Webster erkennen, dem Herausgeber der zweimal wöchentlich erscheinenden lokalen Zeitung.
    „Verdammt“, flüsterte Ben.
    Er sah Miles in die Augen und versuchte dabei, weder ängstlich noch schuldbewusst zu wirken. Du kannst mir gar nix, alter Mann, versuchte er mit seinem Blick zu sagen. Dann konzentrierte sich Miles wieder auf die Straße, guckte vorher aber noch schnell zu Mollys Haus hinüber.
    Und da stand sie. Winkend, umrahmt von der Tür. Ihre bloßen Beine reflektierten die ersten Strahlen der Morgensonne.
    „Oh, Scheiße!“, stöhnte Ben.
    Miles warf ihm noch ein schlaues Grinsen zu, dann verschwand er, gefolgt von einer Wolke aus Dieselabgasen.
    Zweiunddreißig Jahre lang war es Ben gelungen, nicht in der Klatschspalte der Zeitung aufzutauchen. Kommenden Donnerstag würde sich das ändern.
    Und wenn es irgendetwas gab, das er mehr hasste als Geheimnisse, dann waren es Skandale.
    Mollys Computer schien förmlich zu schnurren, als sie sich an diesem Morgen an die Arbeit machte. Oder ging dieses kaum spürbare
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