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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt
Autoren: Anne Haferburg
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zu mir. Das rührt mich.“
    Luise verteidigte sich. Das war genauso seltsam wie mein nur zu deutlicher Vorwurf. Sie versuchte, mich zu umarmen.
    „Lass uns doch erst mal begrüßen.“
    Ich versteifte mich.
    „Ist ja auch alles Blödsinn. Was geht es mich an?!“
    Ich löste mich aus der Umarmung. Luise schwieg eine Weile, dann sagte sie: „Ich freu mich so sehr, dich zu sehen.“
    Ich antwortete nicht. Mikkel hatte mich komplett aus dem Konzept gebracht.
    „Wie lange bleibst du?“, fragte Luise.
    „Bis Morgen. Ich schlaf wieder in der Pension. Hab aber um zwei noch was zu erledigen.“
    „Lass uns nach der Arbeit treffen. Hol mich ab, ja?“
    Luise freute sich wie ein Kind. Es ärgerte mich, dass sie mich nicht fragte, was für einen Termin ich hatte. Es schien ihr egal zu sein. Sie war wohl nicht eifersüchtig. Aus purem Trotz sagte ich, „Wenn ich es schaffe, ja – sonst ruf ich an.“ Luise strahlte trotzdem. Konnte sie nicht sehen, wie es mir ging?
    „Bis nachher“, sagte ich kühl.
    „Tschüß, Grummli, bis nachher. Ich freu mich.“

    Ich wartete im Café auf Johanna. Punkt zwei kam sie direkt auf mich zu. Wir hatten uns bereits gesehen. Bei der Beerdigung. Ich hatte nicht ahnen können, dass Johanna auch da war. Ihr schien ja nicht sonderlich viel an meinem Vater gelegen zu haben.
    Ich hatte mir die Pflegerin meines Vaters komplett anders vorgestellt. Sie war um die vierzig, schlank, feminin ... und ihr Gesicht strahlte nicht unbedingt Härte aus, eher Kraft. Sie war gänzlich ungeschminkt und hatte einen festen Händedruck.
    „Clara, nicht wahr? Ich bin Johanna. Wir kennen uns bereits von der Beerdigung. Ich wollte Sie damals nicht ansprechen. Schließlich muss das für sie alles sehr schwierig gewesen sein.“
    Sie sprach langsam. Wie mit einer Kranken.
    „Ich wusste nicht, dass Sie da waren. Ich weiß von Ihnen aus ...“
    „ ... dem Brief, ich weiß. Er hat es mir gesagt. Er sagte: ‚Johanna, ich halte das alles fest, wie sie mich behandeln. Alles wird aufgeschrieben, damit es die Welt erfährt.‘ Er machte sich einen Spaß daraus, mich zu provozieren. Auf eine gewisse Art mochten wir uns. Er konnte es nur nicht ertragen, wenn ich ihm etwas verweigerte. Zigaretten, Schokolade. Das war nicht gut für ihn. Wissen Sie, ich habe viele Leute sterben sehen. Sie sind alle gleich, so nah am Tod. Sie werden wie Kinder. Sie wollen tausend Dinge. Bekommen sie sie nicht, werden sie bockig. Louis war ein Kauz. Ich glaube, er war einsam. Und das ließ er an mir aus.
    Karl kam ihn täglich besuchen. Der hat es auch manchmal abbekommen. Louis war kein Mensch, der jammert, er hat geschimpft, wenn ihm etwas weh tat. Auf irgendwas völlig anderes. Seine Art zu verdrängen.“
    Wir bestellten uns einen Kaffee.
    „Ging es ihm sehr schlecht?“
    „Es ging recht schnell. Und die Schmerzmittel sind heute gut. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es wäre ihm gut gegangen ... bis zum Schluss. Er hat alle erdenklichen Zustände. Übelkeit, Schüttelfrost ... ach alles. Angesichts dessen fand ich es unglaublich, wie er sich an diesen Brief gehängt hat. Immer, wenn es ihm ein bisschen besser ging, hat er geschrieben. Manchmal hat er gegrinst dabei. Er war dann weicher, wenn er geschrieben hatte. Dann konnte man auch mal ein normales Wort mit ihm wechseln. Er fragte mich dauernd, ob ich jemanden liebe. Von Herzen liebe? Ich musste leider verneinen. Er forderte mich auf: ‚Dann gehen Sie und verlieben Sie sich. Los.‘ Es war zu komisch. Verlieben auf Kommando geht nicht, habe ich ihm gesagt.
    Er hat mir irgendwann erzählt, für wen der Brief ist. Er sagte mir nur, dass er eine Tochter hat, die er nicht kennt. Er schien es zu bedauern. Ich habe Louis begleitet. Über drei Monate. Da lernt man einen Menschen kennen. Zumindest ein bisschen. Louis war ein kluger Mann. Gebildet und schlagfertig ... und er hatte einen klugen Blick auf die Welt. Er war lustig, ein bisschen zu zynisch, aber doch lustig. Ich war traurig, als er starb. So traurig wie bei allen anderen auch. Wenn man jemanden füttert und ihn aufs Klo bringen muss, eine Zeit lang, dann ist der Mensch einem schon nah. Es entsteht automatisch eine Verbindung. Bei mir ist das so.“
    Johanna strich ihren knielangen grauen Rock glatt. Ich konnte sehen, dass sie Strumpfhosen trug. Bei der Hitze!
    „Louis hat nicht an Gott geglaubt. Er hat nicht gebetet. Das fand ich natürlich schade. Aber er wollte nicht, bis zum Schluss. Viele fangen an zu beten,
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