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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt
Autoren: Anne Haferburg
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aufzusuchen. Aber das würde mir wohl niemand mehr beantworten. Mein Vater hatte vielleicht recht. Sie hatte sich bestrafen wollen, indem sie sich jeden Kontakt, und damit auch das Glück der Liebe, verbot.

    Der Weg zurück nach Hause erschien mir wie ein Katzensprung. Völlig in Gedanken parkte ich vor dem Sender und ging hinein.
    „Clara, was war das denn? Total lieblos gemacht!“
    Jonas schaute mich enttäuscht an.
    „Ja, so lieblos, wie sein Kind verhungern lassen.“
    Mein Chef überhörte die Bemerkung.
    „Jedenfalls haben wir das nicht gesendet. Jetzt ist die Geschichte eh bald durch. Die Leute interessieren sich jetzt wieder mehr für die Benzinpreise. Wir machen wieder was, wenn das Gerichtsurteil fix ist. Ich schick dann jemand anders. Dir scheint das Thema nicht zu liegen.“ Jonas runzelte die Stirn. Mir fiel wieder auf, dass er unglaublich weibliche Wimpern hatte. Seine Augen wirkten damit wie von Kindern gezeichnete Sonnen.
    „Ich weiß, dass du lieber Kulturbeiträge machst. Das Problem ist nur, dass alle hier gerne Kulturbeiträge machen. Verstehst du? Soviel Kultur ist hier aber nicht, sondern Hartz Vier. Das müssen wir eben auch machen. Du machst deine Sache gut. Aber nur Konzerte und Theater ... das geht eben nicht.“
    Jonas sprach ruhig, aber bestimmt. Er hatte mich noch nie kritisiert.
    „Ja, ja, ich hab jetzt eine aufreibende Woche hinter mir. Das weißt du doch. Ich bin jetzt wieder betriebsbereit. Ehrlich.“
    Mir war es eigentlich nicht egal, was Jonas dachte. Was überhaupt jemand über mich dachte. Aber ich fühlte mich seltsam gleichmütig.
    „Diesmal hast du Glück.“ Jonas grinste. „Nächste Woche beginnt das Filmkunstfest. Du kennst die Leute. Mach du das also. Drei Tage schön verdientes Geld. Kannst die Leute interviewen und dir die Filme anschauen.“
    „Danke, mach ich gerne.“
    Ich schaute mich um und sah die langbeinige schöne Silvia mit einem Praktikanten zusammenstehen, der sie anhimmelte. Klar. Silvia musste man als Mann wohl fast anbeten. Ich überlegte, ob sie mir auch gefiel. Quasi als Test, für meine sexuelle Orientierung. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, Silvia anzumachen. Bei dem Gedanken musste ich lachen. Das wäre ja noch das Beste. Die von allen begehrte junge Silvia zieht mit der zehn Jahre älteren Clara ab. Das wäre sicher eine Zeit lang Gesprächsthema Nummer eins.

    Ich hatte hier nichts mehr zu tun. Mein Plan stand fest. Ich wollte etwas über Emma erfahren. Sie musste eine Vorgeschichte haben. Etwas, was mir half zu verstehen. Sie kam hier aus diesem Ort, und es muss zumindest etwas in der Zeitung gestanden haben. Es war für mich kein Problem, ins Zeitungsarchiv der provinziellen und einzigen Tageszeitung zu kommen. Der Chefredakteur hatte mich beim Pressestammtisch ein paarmal angezwinkert. Ich hatte ihn mehr oder weniger freundlich in die Schranken gewiesen. Ein versprochener Kaffee ... und schon war ich drin.
    Die meisten Artikel waren bereits digitalisiert worden. Ich beschränkte mich auf das Jahr, in dem ich geboren wurde, denn da hatte Emma sich umgebracht. Ich fand einen winzigen Artikel vom fünfzehnten Dezember 1963. Es war die Rede von einem grausamen Selbstmord mit ungeklärtem Motiv. Es musste eine Schwester geben, denn die hatte sie gefunden. Ihr vollständiger Name war Emma Leitner.
    Der Name Leitner kam mir bekannt vor. Ich kannte eine Frau, die so hieß. Sie war die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin im Ort, und ich war einmal bei ihr gewesen, bevor meine Mandeln im Krankenhaus entfernt wurden.
    Meine Mutter war so aufgeregt, wegen der Operation, dass sie einige ihrer schönen schwarz-grauen Haare verlor. Ihre Angst, dass mir etwas zustoßen könne, bei einem derart gängigen Eingriff, belustigte die Ärzte. Sie bereitete meine Sachen vor wie für einen Atomangriff und saß Tag und Nacht an meinem Bett. Wir waren gemeinsam bei Dr. Leitner gewesen, aber ich musste allein in das Sprechzimmer. Ich weiß noch, wie ich bettelte, dass sie mitkommen würde. Aber sie hatte darauf bestanden, dass ich allein ging. Jetzt glaubte ich eine Ahnung zu haben, warum.
    Ich suchte mir die Adresse der Praxis raus. Ich war sicher, dass sie die Schwester von Emma war. Morgen wollte ich mich dessen versichern. Irgendetwas fehlte in dieser Geschichte, und ich war entschlossen, die Lücke zu beseitigen.

    Dann fuhr ich zu Willy. Charlotte saß auf ihrem Platz hinten im Lokal vor der Küche und redete mit Frederike. Sie lachten. Ich war erstaunt. Ich hatte
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