Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt
Autoren: Anne Haferburg
Vom Netzwerk:
wenn sie sterben, wissen Sie. Er nicht. ‚Gott ist leider nicht existent, liebe Johanna, sonst wären wir nicht so, wie wir sind. Das ist der beste Beweis. Schwach, einfältig, verloren und grausam. Die guten Eigenschaften kommen nicht durch Gott zu Tage, sondern durch seine Abwesenheit.‘ Das hat Louis gesagt. Habe ich nicht verstanden. Aber ich habe ihn gelassen. Glauben Sie an Gott?“
    „Nicht direkt.“
    Johanna nickte.
    „Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, über Ihren Vater, als das. Ich hoffe, Sie bereuen den Weg hierher nicht?“
    „Nein, ich wollte wissen ... ich wollte sie einfach kennenlernen.“
    Johanna drückte meine Hand noch fester, als bei der Begrüßung. Dann ging sie mit forschem Schritt zum Kellner, zahlte und war fort. Ich blieb sitzen und verfing mich in der Vorstellung, dass wir eine Familie gewesen wären. Wie ich mit meinem Vater gemeinsam um meine Mutter getrauert hätte und wie ich ihm in seiner Krankheit beigestanden wäre. Ich stellte mir vor, wie er meine Hand gestreichelt hätte, um mir zu zeigen, dass er dankbar war und dass er mich liebte. Mein Vater schien ein Mensch zu sein, den ich gemocht hätte. Das war ein gutes Gefühl, aber es machte seine Abwesenheit erst doppelt traurig. Dieses Gefühl der Trauer mischte sich mit einer Hand voll Wut. Auf Marlene und auf Louis. Sie hatten mir beide etwas genommen, das zu mir gehört hätte: Einen Vater.

    Emma ging mir nicht aus dem Kopf. Der Selbstmord dieses jungen Mädchens war so unverständlich für mich. Auch wenn ich selbst oft eine abscheuliche Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber empfand, so war es doch nie totaler Verdruss. Es war wie Louis gesagt hatte: Ich hing an jedem Fetzen albernen Lebens. Sich umzubringen erforderte so viel Mut. Die Leute, die im Zusammenhang mit Selbstmord von Feigheit sprachen, lagen in meinen Augen falsch. Wie groß muss der Leidensdruck sein, wenn man sich freiwillig vom eigenen Leben trennt?
    Emma musste also gelitten haben, aber so sehr, dass sie sich selbst tötete? Weil Louis sie nicht geliebt hatte? War sie auch sonst traurig und depressiv gewesen? Verrückt? Unzurechnungsfähig?
    Ich merkte, dass ich kaum noch atmete, so angestrengt war ich in meine Gedanken versunken. Nachdem ich gezahlt hatte, ging ich in die Pension. Die Dame an der Rezeption war ehrlich erfreut, mich zu sehen, und fragte neugierig, was mich wieder herführte. Ich log und sagte, dass es mir einfach so gut gefallen hätte, woraufhin die Dame mich lächelnd anschaute und mir dasselbe hässliche Zimmer gab.
    Dann nahm ich eine Dusche und cremte mich sorgfältig ein. Ich legte ein aufwendiges Make-up auf. Steinfarbener Lidschatten, schwarzer Lidstrich, schwarze Wimpern, Puder und glänzendes Rouge.
    Als ich bei Luise vor der Boutique ankam, schloss die gerade ab.
    „Wow, du schaust schön aus.“
    Luise schaute bewundernd drein – und ich konnte nicht umhin, mich zu ärgern, dass ich ein Kompliment bekam, jetzt, da ich so sehr geschminkt war. Sah ich natürlich nicht schön aus?
    „Geschminkt halt.“
    „Oh oh oh, bei dir muss man aber verdammt aufpassen, mit Schmeicheleien und so. Ich werde mich zügeln. Gehen wir essen? In der Waldscheune, dort ist es grün und schön beleuchtet. Keine Pommes. Versprochen.“
    Wir gingen los. Ich schielte, um Luise beobachten zu können. Sie hatte eine süße, einladende Figur. Anders konnte man es nicht beschreiben. Alles war rund, nicht schlank, rund ... und irgendwie kompakt. Früher hatte ich immer besonders hochgewachsene androgyne Frauen als schön empfunden. Luise war anders, und am liebsten hätte ich ihr auch ein Kompliment gemacht, aber ich hatte keine Lust, auch nur ein bisschen von meinem hohen Ross herunterzukommen. Luise plapperte so vor sich hin und erzählte witzige Geschichten aus dem Geschäft. Sie konnte die Leute gut imitieren. Ich entkrampfte ein wenig.
    Der Waldweg zum Restaurant sah verwunschen aus. Es roch nach Tannen und Moos. Dauernd lief man in eine Ansammlung von Mini-Mücken hinein, die Luise mit fuchtelnden Armen verscheuchte.
    Die Waldscheune war voll. Ich setzte mich und Luise schaute mich schräg an.
    „Hier?“, fragte sie.
    „Ja hier, mach‌'s nicht so kompliziert“.
    „Bist du streng. Na gut. Zu Befehl.“
    Luise war unnormal fröhlich. Ich konnte mich in meiner unnahbaren Missmutigkeit gerade selbst nicht ausstehen. Warum war ich so? Immer alle auf Abstand halten. Ich erzählte Luise von der Begegnung mit Johanna.
    „Ich kenne Johanna, sie ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher