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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt
Autoren: Anne Haferburg
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einer kleinen Pension oder so. Marlene hatte Geld gespart und auch ein bisschen was geerbt, von ihren Eltern, die lange verstorben waren.
    Doch dazu kam es nicht. Keine Familie, keine Pension. Nichts.

    Ich erfuhr es in der Arbeit. Von Baumann.
    Emma hatte sich umgebracht.
    Auf besonders grausame Weise. Sie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten, längs vom Handgelenk ganz hoch bis zur Armbeuge, sodass es schnell ging. Dann hatte sie sich ins Bett gelegt. Und gewartet. Sie wollte nicht gefunden werden. Sie wollte sterben. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, so vom Leben Abschied zu nehmen? Freiwillig. Hängt man sich nicht an jeden Fetzen albernen Lebens?
    Es war furchtbar. Und obwohl es so furchtbar war, dachte ich daran, wie ich es meinen Eltern beibringen könnte. Ich dachte an Erklärungen.
    Dafür habe ich mich später geschämt. Emma hatte sich umgebracht, aus enttäuschter Liebe. Und ich hatte nichts Besseres zu tun, als darüber nachzudenken, wie ich da rauskam.
    Womit ich nicht rechnete, waren die Gefühle Marlenes. Als ich nach Hause kam, hatte sie es schon gehört. Mein Gott, so was spricht sich rum. Schnell. Sie war wie aufgelöst. Ihre Augen waren geweitet und ihre Lippen trocken. Die Haare standen ihr wild um den Kopf. Ich konnte riechen, dass sie schwitzte.
    „Unser Geheimnis hat jemanden getötet. Ich kann das nicht. Ich kann das nicht. Ich bin schuld. Das alles war meine Idee.“ Sie wiederholte das immer wieder. Als ich es nicht mehr aushielt, schrie ich sie an.
    „Was kannst DU nicht mehr?“
    „Das mit uns, Louis. Es ist vorbei. Das werden wir nie wieder los. Ich kann das nicht. Das junge Ding.“
    Ich versuchte ihr zu sagen, dass sie nicht schuld war an dem Tod von Emma. Ja, ich glaubte ja nicht mal richtig, dass ICH schuld war an Emmas Tod. Doch Marlene war nicht zu beruhigen.
    Ich glaube, sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass wir mit unserer Liebe jemand anders umgebracht hatten. In ihren Augen war es so.
    Sie war nicht dumm. Sie hat selbst gesagt, sie WÜSSTE, dass sie nicht schuld sei, vom Verstand. Aber ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes. Sie wiederholte immer den einen Satz: Unsere Liebe sei falsch. Es war, als bestätigten sich sämtliche ihrer Befürchtungen, etwas ganz und gar Schlechtes zu tun, wenn sie mich liebte.
    Ich war unfähig, so was von unfähig, irgendetwas zu tun. Wir schliefen ein letztes Mal in einem Bett. Es war die erste Nacht, in der ich meinen Körper nicht an Marlenes Rücken legte, ihr meine Hand unter das Nachthemd schob und mit dem Gefühl, ihren Bauch zu halten, einschlief. Ich wagte nicht, mich ihr zu nähern. Ihre Unruhe hatte sich um ihren Körper gelegt wie ein Umhang. Ich hoffte auf den Sonnenaufgang und darauf, dass wir reden würden.
    Am nächsten Morgen ganz früh weckte mich Marlene. Sie hatte meine Sachen zusammengepackt. Alles. Sie sagte mir, ich solle aufstehen und verschwinden.
    „Louis, verschwinde und schwöre bei deinem Augenlicht, dass du wegbleibst. Das Kind musst du vergessen.“
    Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, so hart zu sein, und wie ich es geschafft habe zu gehen. Aber ich konnte sehen, dass ich sie nie und nimmer umstimmen konnte. Es war vorbei. Ihr Blick, ihr ganzer Körper war starr. Sie war wie erfroren. Ich bekam Angst bei ihrem Anblick. Ihre ganze Liebe für mich war verschwunden. Nie vorher und nachher habe ich so gelitten. Sie wollte sich bestrafen, indem sie mich wegschickte, und ich habe das nicht begriffen. Ich ging ohne etwas zu tun. Ohne zu kämpfen.
    Dass der Weg, den ich wählte, der leichtere war, würde ich nicht behaupten, denn das Glück kam nie zurück. Ich war vorbei. Alles war vorbei. Du wurdest geboren, und ich war kein Vater. Obwohl eine Familie mit Euch meine Reise zum Mond gewesen wäre.
    Was Emma anging, fühlte ich mich nie so schuldig, als dass ich nicht mehr darüber getrauert hätte, dass Marlene mich fortschickte. Bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Bis heute kann ich mir diese Frage nicht beantworten.
    Ich hörte nur einmal was von Marlene. Du warst geboren. Sie schickte mir eine Kopie der Geburtsurkunde. Ohne Foto, nur mit einer Zeile. „Clara ist ein gesundes Mädchen.“
    Sie wollte mir mitteilen, dass es Dich jetzt gab. Auf eine möglichst unpersönliche Art. Ich schrieb ihr Briefe und versuchte sie anzurufen, aber sobald sie hörte, dass ich am Apparat war, legte sie auf. Ich wurde immer dünner. Mir fehlte der Mut, sie zu sehen. Euch zu sehen. In meinem Kopf zementierte sich
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