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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
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zusammen. Einen davon hatte ich schon direkt vor Danny Zukers Tod angesprochen: Warum waren die Minors so versessen darauf, Natalie zu finden? Sie hatte doch über all die Jahre hinweg deutlich gezeigt, dass sie keine Aussage machen würde. Warum also sollten sie nach so langer Zeit noch einmal so viel Staub aufwirbeln und sie aus ihrem Versteck scheuchen, obwohl doch die Gefahr bestand, dass sie dadurch doch noch zur Polizei ging? Zwischenzeitlich hatte ich ja gemutmaßt, dass Danny Zuker hinter der ganzen Sache steckte: Er hätte Archer Minor umgebracht und wollte sicherstellen, dass die einzige Person, die Maxwell Minor davon erzählen konnte, auf Nimmerwiedersehen verschwand. Aber auch das passte nicht richtig, besonders wenn ich die Verwirrung einbezog, die sich in seiner Miene gezeigt hatte, als ich ihm diesen Vorwurf machte.
    »Sie haben absolut keinen Schimmer, oder?«
    Das waren Danny Zukers Worte gewesen. Er hatte recht gehabt. Doch allmählich hatte ich mir alles zusammenreimen können. Dabei hatte es sehr geholfen, die zentrale, immer noch ungeklärte Frage rund um den Vorfall, mit dem alles begonnen hatte, noch einmal in den Mittelpunkt zu stellen:
    Wo war Natalies Vater?
    Die Antwort darauf hatte ich schon vor fast einem Jahr erhalten. Zwei Tage bevor die Polizei mich nach New Mexico schickte, war ich noch einmal zu Natalies Mutter in der Hyde-Park-Residenz gefahren. Zugegebenermaßen in einer ziemlich miesen Verkleidung. (Meine jetzige Verkleidung ist schlichter: Ich habe mir den Kopf kahl rasiert. Die widerspenstigen Locken meiner Jugend sind verschwunden. Meine Birne strahlt. Es fehlt nur noch der goldene Ohrring, dann könnte man mich für Meister Proper halten.)
    »Dieses Mal muss ich die Wahrheit wissen«, hatte ich zu Sylvia Avery gesagt.
    »Die habe ich Ihnen erzählt.«
    Ich verstand, dass Menschen untertauchten und neue Identitäten brauchten, weil sie des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurden, sich bei einem Drogenkartell unbeliebt gemacht hatten, brutale Ehemänner hinter ihnen her waren oder einen Mafia-Mord beobachtet hatten. Aber ich verstand nicht, warum ein Mann, der an einem Plagiats-Skandal an einem College beteiligt gewesen war, für den Rest seines Lebens verschwinden musste – und selbst jetzt, nach Archer Minors Tod, nicht wieder auftauchte.
    »Natalies Dad ist nicht untergetaucht, stimmt’s?«
    Sie antwortete nicht.
    »Er wurde ermordet«, sagte ich.
    Sylvia Avery wirkte inzwischen zu schwach, um zu widersprechen. Sie saß nur ganz still in ihrem Rollstuhl.
    »Sie haben Natalie erzählt, dass ihr Vater sie niemals im Stich gelassen hätte.«
    »Das hätte er auch nicht«, sagte sie. »Er hat sie so sehr geliebt. Julie hat er auch geliebt. Und mich. Aaron war ein sehr guter Mensch.«
    »Zu gut«, sagte ich. »Einer, der nur in Schwarz-Weiß-Kategorien dachte.«
    »Genau.«
    »Als ich Ihnen erzählte, dass Archer Minor tot wäre, sagten Sie: ›Gott sei Dank!‹ Hat er Ihren Mann umgebracht?«
    Sie senkte den Kopf.
    »Es gibt niemanden mehr, der Ihnen oder Ihren Töchtern etwas tun kann«, sagte ich, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Hat Archer Minor Ihren Mann persönlich umgebracht, oder hat sein Vater einen Auftragskiller geschickt?«
    Dann sprach sie es aus: »Es war Archer selbst.«
    Ich nickte. Das hatte ich mir gedacht.
    »Er ist mit einer Pistole zu uns gekommen«, sagte Sylvia. »Er hat verlangt, dass Aaron ihm die Unterlagen aushändigt, die sein Plagiat beweisen. Wissen Sie, er wollte wirklich aus dem Schatten seines Vaters treten, und wenn herausgekommen wäre, dass er betrogen hatte …«
    »Dann wäre er genau wie sein Vater gewesen.«
    »Ja. Ich habe Aaron angefleht, seine Forderung zu erfüllen. Aber Aaron wollte das nicht. Er dachte, Archer würde nur bluffen. Also hat Archer Aaron die Pistole an den Kopf gehalten und …« Sie schloss die Augen. »Er hat dabei gelächelt. Das vergesse ich nie. Dann hat er verlangt, dass ich ihm die Unterlagen gebe, sonst hätte er mich auch erschossen. Natürlich habe ich sie ihm gegeben. Später sind zwei Männer gekommen, die für seinen Vater gearbeitet haben. Sie haben Aarons Leiche mitgenommen. Einer von ihnen hat sich zu mir gesetzt. Er sagte, wenn ich auch nur ein Wort davon erzählte, würden sie meinen Mädchen schreckliche Dinge antun. Sie würden sie nicht einfach nur umbringen, sagte er. Vorher würden sie ihnen schreckliche Dinge antun. Das wiederholte er immer wieder. Er sagte, ich solle behaupten,
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