Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
Vom Netzwerk:
des geschätzten Kollegen, der untertauchen musste. Hatte Malcolm ihrem Vater geholfen, sich vor Archer Minors Familie zu verstecken? Ich wusste es nicht. Wahrscheinlich schon. Auf jeden Fall waren die Geschehnisse um Aaron Kleiner für Malcolm Hume ein Grund, sich an Fresh Start zu beteiligen. Vermutlich hatte er seine Tochter sofort ins Herz geschlossen und unter seine Fittiche genommen.
    »Natalie ist zu Ihnen gekommen, weil sie Zeugin eines Mordes geworden ist«, sagte ich.
    »Nicht nur irgendeines Mordes. Des Mordes an Archer Minor.«
    Ich nickte. »Sie hat also den Mord gesehen. Dann ist sie zu Malcolm gegangen. Und Malcolm hat sie ins Refugium gebracht.«
    »Zuerst hat er sie hierhergebracht.«
    Natürlich, dachte ich. Das Gemälde. Dieser Ort hat es inspiriert.
    Jed lächelte.
    »Was ist?«
    »Sie begreifen es nicht, oder?«
    »Was begreife ich nicht?«
    »Sie standen Malcolm so nahe«, sagte er. »Er hat Sie wirklich geliebt wie einen Sohn.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Vor sechs Jahren, als Sie Hilfe beim Schreiben Ihrer Dissertation brauchten, hat Malcolm Hume Ihnen vorgeschlagen, eine Weile ins Refugium in Vermont zu gehen, stimmt’s?«
    Ich fröstelte bis auf die Knochen. »Ja. Na und?«
    »Fresh Start besteht natürlich nicht nur aus uns dreien. Wir haben einige sehr engagierte Mitarbeiter. Cookie und ein paar andere kennen Sie ja. Allzu viele sind es aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Wir müssen uns hundertprozentig aufeinander verlassen können. Malcolm war zeitweise der Ansicht, Sie könnten ein Gewinn für die Organisation sein.«
    »Ich?«
    »Deshalb hatte er Ihnen vorgeschlagen, ins Refugium zu gehen. Er hatte gehofft, Ihnen dort zeigen zu können, was Fresh Start macht, so dass Sie sich uns anschließen können.«
    Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte, also hielt ich mich an das Naheliegendste. »Und warum hat er das nicht getan?«
    »Ihm ist klar geworden, dass Sie nicht sehr gut hineingepasst hätten.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Wir arbeiten in einer ziemlich undurchschaubaren Welt, Jake. Einiges von dem, was wir tun, ist illegal. Wir gehen nach unseren eigenen Regeln vor. Wir entscheiden, wer schützenswert ist und wer nicht. Die Grenzen zwischen Schuld und Unschuld sind oft nicht sehr klar gezogen.«
    Ich nickte, begriff es jetzt. Es ging um Schwarz-Weiß-Denken – und um Grautöne. »Professor Eban Trainor.«
    »Er hatte eine Regel übertreten. Sie wollten ihn bestrafen. Sie hatten keinen Blick für die mildernden Umstände.«
    Ich dachte daran, wie Malcolm Eban Trainor nach der Party verteidigt hatte, bei der zwei Studenten wegen Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Jetzt begriff ich es. Professor Humes Einsatz für Trainor war zumindest zum Teil ein Test gewesen – den ich in Malcolms Augen nicht bestanden hatte. Und zwar zu Recht nicht. Ich war ein Verfechter des Rechtsstaatsprinzips. Wenn ein Damm erst einmal gebrochen war, wurde alles mitgerissen, was uns zu zivilisierten Menschen machte.
    Zumindest bis vor einer Woche hatte ich das so gesehen.
    »Jake?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie wirklich, wie die Minors Todd Sanderson gefunden haben?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich. »Es gibt doch Unterlagen über Fresh Start, oder?«
    »Nur in einer Internet-Cloud. Und es müssen mindestens zwei von uns dreien dabei sein – Todd, Malcolm und ich –, um darauf zuzugreifen.« Er blinzelte, wandte den Blick ab, blinzelte noch ein paar Mal. »Mir wird gerade bewusst, dass ich der Letzte bin. Die Unterlagen sind für immer verloren.«
    »Aber es muss doch auch ein paar physische Unterlagen irgendwo geben, oder?«
    »Zum Beispiel?«, fragte er.
    »Zum Beispiel ihr Testament.«
    »Ja, die gibt es, aber die werden an einem Ort aufbewahrt, an dem sie niemand findet.«
    »Sie meinen zum Beispiel in einem Bankschließfach an der Canal Street?«
    Jeds Unterkiefer klappte herunter. »Woher wissen Sie das?«
    »Die Bank wurde überfallen. Die Räuber haben die Schließfächer aufgebrochen. Ich weiß nicht genau, wie das abgelaufen ist, aber offenbar ist Natalie für die Minors immer noch von allergrößter Bedeutung. Derjenige, der sie findet, könnte viel Geld damit verdienen. Ich vermute daher, dass irgendjemand – die Einbrecher, ein geschmierter Polizist, wer auch immer – ihren Namen erkannt hat. Der hat es den Minors gemeldet. Die Minors haben gesehen, dass ein Todd Sanderson aus Palmetto Bluff, South Carolina, der Mieter des Schließfachs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher