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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
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nicht zumindest den Mut aufbringen können, Sie zu töten?«
    Er drückte nicht ab. Jed wollte mich nicht mehr erschießen. Jetzt merkte ich es. Als er dachte, ich hätte Todd ermordet, wollte er es, aber der Gedanke, dass er mich nur aus dem Grund umbringen sollte, um mich zum Schweigen zu bringen, behagte ihm nicht. Schließlich sah er wieder auf die Leiche hinab.
    »Malcolm hat Sie geliebt«, sagte Jed. »Wie einen Sohn. Er hätte nicht gewollt …« Seine Stimme verklang. Er ließ die Pistole sinken.
    Zaghaft trat ich einen Schritt auf ihn zu. »Jed?«
    Er sah mich an.
    »Ich glaube, ich weiß, wie Maxwell Minors Männer auf Todd gestoßen sind.«
    »Wie?«
    »Zuerst habe ich noch eine Frage«, sagte ich. »Hat Fresh Start mit Todd Sanderson, Malcolm Hume oder … mit Ihnen angefangen?«
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Nur … gedulden Sie sich noch einen Moment, ja?«
    »Fresh Start hat mit Todd angefangen«, sagte Jed. »Sein Vater wurde eines abscheulichen Verbrechens bezichtigt.«
    »Kindesmissbrauch«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Was dazu führte, dass sein Vater schließlich Selbstmord begangen hat«, sagte ich.
    »Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr das Todd mitgenommen hat. Ich war damals sein Zimmergenosse und sein bester Freund. Ich musste mit ansehen, wie er vor die Hunde ging. Er hat nur noch darüber geschimpft und geflucht, wie unfair das alles sei. Irgendwann haben wir uns gefragt, was passiert wäre, wenn sein Vater hätte wegziehen können. Aber selbst dann hätten die Vorwürfe ihn natürlich verfolgt. Es gab einfach kein Entkommen.«
    »Außer«, sagte ich, »mit einem Neustart.«
    »Genau. Wir erkannten, dass es Menschen gibt, die gerettet werden mussten – und die einzige Chance, sie zu retten, lag darin, ihnen ein neues Leben zu geben. Auch Professor Hume verstand das. Auch er kannte jemanden, der einen Neustart gebraucht hätte.«
    Ich überlegte kurz und fragte mich, ob es sich bei diesem Jemand womöglich um Professor Aaron Kleiner handelte.
    »Also haben wir uns zusammengetan«, fuhr Jed fort. »Unter dem Deckmantel einer legalen Wohltätigkeitsorganisation haben wir diese Gruppe gebildet. Mein Vater war U.S. Marshal. Er hat Personen im Zeugenschutzprogramm untergebracht. Daher wusste ich, wie das ablief. Mein Großvater hatte mir die alte Farm der Familie vererbt. Wir haben sie in ein Refugium verwandelt. Da haben wir den Menschen beigebracht, wie sie sich verhalten sollten, wenn sie eine neue Identität annahmen. Als Spieler musste man sich von Las Vegas und Rennbahnen fernhalten. Wir haben auch psychologisch mit ihnen gearbeitet, damit sie verstanden, dass das Verschwinden eine Form des Selbstmords und der Erneuerung war – man liquidierte ein Lebewesen, um ein anderes zu erschaffen. Wir haben tadellose neue Identitäten aufgebaut. Wir haben mit Falschinformationen gearbeitet, um mögliche Verfolger in die Irre zu führen. Wir haben sie mit Tätowierungen und Verkleidungen abgelenkt. In einigen Fällen hat Todd kosmetische Operationen durchgeführt, um das Aussehen der Person zu verändern.«
    »Und was ist dann passiert?«, fragte ich. »Wohin haben Sie die Menschen gebracht, die Sie gerettet hatten?«
    Jed lächelte. »Das ist ja das Schöne daran. Wir haben sie nirgends hingebracht.«
    »Das versteh ich nicht.«
    »Sie suchen Natalie, hören aber nicht zu. Keiner von uns weiß, wo sie ist. So läuft das. Selbst wenn wir wollten, könnten wir es Ihnen nicht sagen. Wir helfen den Menschen, geben ihnen die erforderlichen Mittel an die Hand, dann setzen wir sie irgendwo an einem Bahnhof ab und haben keine Ahnung, wohin es sie verschlägt. Das ist Teil unseres Sicherheitssystems.«
    Ich versuchte, seine Worte zu begreifen – der Gedanke, dass ich keine Möglichkeit hatte, sie zu finden, dass keine Chance bestand, dass wir je zusammenkamen, der Gedanke, dass das Ganze von Anfang an für die Katz war, drohte mich zu erdrücken.
    »Irgendwann«, sagte ich, »hat Natalie euch um Hilfe gebeten.«
    Wieder sah Jed aufs Bett hinab. »Sie hat sich an Malcolm gewandt.«
    »Woher kannte sie ihn?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht.«
    Aber ich wusste es. Natalies Mutter hatte ihrer Tochter von Archer Minors Plagiat erzählt und dass ihr Vater daraufhin untertauchen musste. Vermutlich hatte Natalie sich auf die Suche nach ihrem Vater gemacht, und da gehörte Malcolm Hume sicher zu den Ersten, zu denen sie Kontakt aufgenommen hatte. Und Malcolm hatte sich angefreundet mit der Tochter
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