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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
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Professoren?«
    »Ja.«
    »Was ist damit?«
    »Sie müssen mir die Adresse vom Haus am See geben. Ich muss persönlich mit Professor Hume sprechen.«

DREIUNDDREISSIG
    A ls College-Professor, besonders auf einem kleinen Campus, lebt man ziemlich abgeschieden. Man bewegt sich die ganze Zeit in der surrealen Welt der sogenannten höheren Bildung. Man lebt bequem. Es gibt kaum Gründe, diese Welt zu verlassen. Ich hatte zwar ein Auto, fuhr es aber höchstens einmal pro Woche. Zu meinen Seminaren ging ich zu Fuß. Ich ging zu Fuß in den Ort Lanford, wo sich meine Lieblingsläden, meine Lieblingskneipen, meine Lieblingskinos, meine Lieblingsrestaurants und so weiter befanden. Ich hielt mich im hochmodernen Sportstudio des Colleges fit. Nicht nur die Studenten waren hier isoliert, sondern auch alle anderen, die hier ihren Lebensunterhalt verdienten.
    Man neigte dazu, sein ganzes Leben im Elfenbeinturm des bildungsbürgerlichen Amerika zu verbringen.
    Und natürlich hat das Einfluss auf die Geistesverfassung der darin lebenden Menschen, aber auch in rein körperlicher Hinsicht war ich in der guten Woche, seit ich Todd Sandersons Todesanzeige gesehen hatte, mehr unterwegs gewesen als in den letzten sechs Jahren zusammen. Das mag leicht übertrieben sein, aber gewiss nicht sehr. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Verbindung mit der Steifheit durch das stundenlange Sitzen, sei es im Auto oder im Flugzeug, hatten mich viel Kraft gekostet. Zeitweise hatte mich das Adrenalin zwar auf Trab gehalten, doch ich hatte auch auf die harte Tour erfahren, dass der Vorrat an dieser körpereigenen Droge keineswegs unerschöpflich war.
    Als ich von der Route 202 abbog und in Richtung des ländlichen Gebiets an der Grenze zwischen Massachusetts und New Hampshire fuhr, fing mein Rücken an zu schmerzen. Also hielt ich bei Lee’s Hot Dog Stand, um mir kurz die Beine zu vertreten. Auf einem Schild wurde das Backfisch-Sandwich angepriesen. Ich entschied mich jedoch für einen Hot Dog mit Käse-Pommes und einer Coke. Es schmeckte wunderbar, und auf dem Weg zu der abgelegenen Hütte dachte ich einen Moment lang über das Konzept der Henkersmahlzeit nach. Offenbar war ich nicht in bester Gemütsverfassung. Ich verschlang also das Essen, kaufte und vertilgte noch einen Hot Dog und stieg wieder ins Auto. Ich kam mir seltsam erholt vor.
    Ich ließ den Otter River State Forest hinter mir. Es waren nur noch ungefähr zehn Minuten bis zu Malcolms Haus. Seine Handynummer hatte ich nicht, wusste nicht einmal, ob er ein Handy besaß. Allerdings hätte ich ihn sowieso nicht angerufen. Ich wollte einfach auftauchen und gucken, was dann geschah. Ich wollte Professor Hume keine Zeit geben, sich auf unser Treffen vorzubereiten. Ich wollte Antworten, von denen ich annahm, dass mein alter Mentor sie kannte.
    Eigentlich brauchte ich gar nicht alles zu wissen. Ich wusste schon genug. Aber ich wollte Gewissheit haben, dass Natalie in Sicherheit war und erfahren hatte, dass ein paar wirklich üble Gestalten ihr wieder auf den Fersen waren, und wenn irgend möglich, wollte ich prüfen, ob ich abtauchen und mit ihr zusammen sein könnte. Ja, ich kannte die Regeln und Schwüre von Fresh Start, aber mein Herz interessierte das absolut nicht.
    Es musste eine Möglichkeit geben.
    Fast hätte ich das kleine Schild übersehen, das auf den Attal Drive hinwies. Ich bog links auf die Schotterstraße ein, die sich den Berg hinaufschlängelte. Als ich oben ankam, lag der Lake Canet ruhig wie ein Spiegel vor mir. Heutzutage spricht jeder gerne von Ursprünglichkeit, doch als ich das Wasser sah, bekam das Wort eine ganz neue Kraft und Energie. Ich hielt an und stieg aus. Die Luft war so frisch, dass man das Gefühl hatte, schon ein einziger Atemzug reiche aus, um die Lunge zu reinigen. Die Ruhe und die Stille waren einfach überwältigend. Ich wusste, wenn ich etwas rief, erzeugte mein Ruf ein Echo. Dieses Echo würde ein weiteres erzeugen und so fort, so dass es nie ganz verklang. Der Ruf würde den Wald bewohnen, dabei immer schwächer werden, aber nie vollkommen verhallen, sondern sich mit den anderen Geräuschen aus der Vergangenheit vereinen, die irgendwo noch als leises Summen die freie Natur erfüllten.
    Ich hielt nach dem Haus am See Ausschau. Es war nicht zu sehen. Ich entdeckte nur zwei Anleger. An beiden waren Kanus befestigt. Sonst nichts. Ich stieg wieder in den Wagen und fuhr weiter. Die Straße wurde schlechter. Der Wagen polterte über die unebene Fahrbahn, die
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