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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
Autoren: S. J. Watson
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und darauf steht in einer Handschrift, die ich nicht kenne:
30. November – Termin bei Dr. Nash
. Darunter steht:
Nicht Ben sagen
. Ich frage mich, ob er das gelesen hat, ob er meine Sachen durchsieht.
    Ich befinde, dass es dafür keinen Grund gibt. Die anderen Tage sind ohne Einträge. Keine Geburtstage, keine abendlichen Verabredungen, keine Partys. Gibt das hier wirklich mein Leben wieder?
    »Okay«, sage ich.
    Er erklärt, dass er herkommen und mich abholen wird, dass er weiß, wo ich wohne, und dass er in einer Stunde da sein wird.
    »Aber mein Mann«, sage ich.
    »Das geht in Ordnung. Wir sind längst wieder zurück, wenn er nach Hause kommt. Versprochen. Vertrauen Sie mir.«
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlägt, und ich schaue zu ihr rüber. Sie ist altmodisch, ein großes Zifferblatt mit römischen Zahlen in einem Holzgehäuse. Sie zeigt halb zwölf an. Daneben liegt ein silberner Schlüssel, um sie aufzuziehen, etwas, woran Ben bestimmt jeden Abend denkt. Sie sieht beinahe aus wie eine Antiquität, und ich frage mich, wie wir an so eine Uhr gekommen sind. Vielleicht hat sie keine Geschichte, oder zumindest keine mit uns, sondern ist einfach nur ein Stück, das wir irgendwo gesehen haben, in einem Geschäft oder auf dem Flohmarkt, und einem von uns gefiel sie. Wahrscheinlich Ben, denke ich. Ich merke, dass sie mir nicht gefällt.
    Ich treffe mich nur dieses eine Mal mit ihm, denke ich. Und dann, wenn Ben heute Abend nach Hause kommt, werde ich es ihm erzählen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ihm so etwas verschwiegen habe. Wo ich doch völlig abhängig von ihm bin.
    Aber Dr. Nashs Stimme hat etwas seltsam Vertrautes. Anders als Ben kommt er mir nicht absolut fremd vor. Irgendwie fällt es mir bei ihm sogar fast leichter zu glauben, dass ich ihm schon mal begegnet bin, als bei meinem Mann.
    Wir machen Fortschritte
, hat er gesagt. Ich muss wissen, was für Fortschritte er meint.
    »Okay«, sage ich. »Kommen Sie her.«
    ***
    Als Dr. Nash eintrifft, schlägt er vor, irgendwo einen Kaffee trinken zu gehen. »Was halten Sie davon?«, fragt er. »Ich glaube, es macht nicht viel Sinn, den weiten Weg bis zu meiner Praxis zu fahren. Ich wollte heute eigentlich sowieso nur mit Ihnen reden.«
    Ich nicke und sage ja. Ich war im Schlafzimmer, als er ankam, und beobachtete, wie er seinen Wagen parkte und abschloss, sah, wie er sich durchs Haar fuhr, die Jacke glattstrich und seine Aktentasche nahm.
Das ist er nicht
, dachte ich, als er den Arbeitern zunickte, die Werkzeug aus einem Lkw luden, doch dann kam er den Weg zu unserem Haus hoch. Er sah jung aus – zu jung, um Arzt zu sein –, und ich hatte nicht erwartet, dass er ein Sportsakko und eine graue Cordhose tragen würde, obwohl ich nicht weiß, was ich erwartet hatte.
    »Am Ende der Straße ist ein Park«, sagt er. »Ich glaube, da gibt’s auch ein Café. Sollen wir dahin?«
    Wir gehen zusammen los. Die Kälte ist schneidend, und ich ziehe meinen Schal fester um den Hals. Ich bin froh über das Handy in meiner Tasche, das Ben mir gegeben hat. Und froh, dass Dr. Nash nicht darauf bestanden hat, irgendwo hinzufahren. Ein Teil von mir vertraut diesem Mann, aber ein anderer, größerer Teil sagt mir, er könnte Gott weiß wer sein. Ein Fremder.
    Ich bin eine erwachsene Frau, aber ich bin beschädigt. Es wäre für diesen Mann ein Leichtes, mich irgendwohin zu bringen, obwohl ich nicht weiß, was er dann mit mir machen wollte. Ich bin verletzlich wie ein Kind.
    An der Hauptstraße, an die auf der anderen Seite der Park grenzt, müssen wir auf eine Lücke im fließenden Verkehr warten. Die Stille zwischen uns ist bedrückend. Eigentlich wollte ich ihm erst Fragen stellen, wenn wir in dem Café sind, doch urplötzlich rede ich los. »Was für eine Art Arzt sind Sie?«, frage ich. »Was machen Sie? Wie sind Sie an mich gekommen?«
    Er schaut mich an. »Ich bin Neuropsychologe«, sagt er. Er lächelt. Ich würde gern wissen, ob ich ihm diese Frage jedes Mal stelle, wenn wir uns treffen. »Mein Spezialgebiet sind Patienten mit Hirnstörungen, und ich befasse mich schwerpunktmäßig mit neueren funktionellen, bildgebenden Verfahren in der Neurologie. Ich interessiere mich schon länger vor allem für die Erforschung von Erinnerungsprozessen und -funktionen. Ich habe in der einschlägigen Fachliteratur über Sie gelesen und Sie ausfindig gemacht. Es war nicht sehr schwer.«
    Hinter einem Auto, das weiter vorn um die Kurve kommt, tut sich endlich eine Lücke
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