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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
Autoren: S. J. Watson
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Mann nicht, dass wir uns treffen?«, frage ich.
    Er seufzt und schließt die Augen. »Ich will ehrlich sein«, sagt er, faltet die Hände und beugt sich auf seinem Stuhl vor. »Zu Anfang habe ich Sie gebeten, Ben nicht zu erzählen, dass Sie zu mir kommen.«
    Jähe Angst durchfährt mich wie ein Echo. Aber er macht dennoch einen vertrauenerweckenden Eindruck.
    »Reden Sie weiter«, sage ich. Ich möchte glauben, dass er mir helfen kann.
    »Viele Leute – Ärzte, Psychiater, Psychologen und so weiter – sind in der Vergangenheit an Sie und Ben herangetreten, weil sie mit Ihnen arbeiten wollten. Aber er hat sich heftig dagegen gesträubt, Sie von diesen Spezialisten behandeln zu lassen. Er hat klipp und klar gesagt, Sie wären schon genug therapiert worden und es hätte seiner Meinung nach nichts gebracht, außer Sie aufgeregt. Natürlich wollte er Ihnen – und sich selbst – weitere Aufregungen ersparen.«
    Natürlich; er will nicht, dass ich mir falsche Hoffnungen mache. »Also haben Sie mich dazu überredet, mich mit Ihnen zu treffen, ohne dass er davon weiß?«
    »Ja. Allerdings habe ich mich zuerst an Ben gewandt. Wir haben telefoniert. Ich habe ihn sogar um ein Treffen gebeten, weil ich ihm erläutern wollte, was ich zu bieten habe, aber er hat abgelehnt. Daraufhin habe ich Sie direkt kontaktiert.«
    Erneut durchfährt mich Angst, wie aus dem Nichts. »Wie das?«, frage ich.
    Er blickt nach unten in seinen Becher. »Ich habe Sie abgefangen. Ich habe gewartet, bis Sie aus dem Haus kamen, und dann habe ich mich Ihnen vorgestellt.«
    »Und ich war einverstanden, mich mit Ihnen zu treffen? Einfach so?«
    »Anfangs nicht. Nein. Ich musste erst Ihr Vertrauen gewinnen. Ich habe vorgeschlagen, dass Sie einmal zu mir kommen, nur für eine Sitzung. Nötigenfalls ohne Bens Wissen. Ich habe gesagt, ich würde Ihnen erklären, warum ich wollte, dass Sie mit mir arbeiten, und was ich Ihnen meiner Meinung nach anbieten konnte.«
    »Und ich war einverstanden.«
    Er blickt auf. »Ja«, sagt er. »Ich habe gesagt, nach der ersten Sitzung läge es allein bei Ihnen, ob Sie es Ben erzählen wollen oder nicht, aber falls Sie sich dagegen entscheiden würden, würde ich Sie anrufen, um Sie an unsere Termine zu erinnern und so weiter.«
    »Und ich habe mich dagegen entschieden.«
    »Ja. Richtig. Sie meinten, Sie wollten damit lieber warten, bis wir Fortschritte machen. Sie hielten es für besser so.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Machen wir Fortschritte?«
    Er trinkt noch einen Schluck Kaffee, stellt den Becher wieder auf den Tisch. »Ich denke, ja. Obwohl es schwierig ist, Fortschritte exakt zu messen. Aber in den letzten paar Wochen scheinen Ihnen viele Erinnerungen wieder eingefallen zu sein – etliche davon zum ersten Mal, soweit wir wissen. Und es gibt gewisse Sachverhalte, die Ihnen häufiger bewusst sind, was früher nicht der Fall war. Sie erinnern sich zum Beispiel nach dem Aufwachen gelegentlich daran, dass Sie verheiratet sind. Und –« Er stockt.
    »Und?«, sage ich.
    »Und, na ja, Sie werden unabhängiger, denke ich.«
    »Unabhängiger?«
    »Ja. Sie verlassen sich nicht mehr so stark wie früher auf Ben. Oder auf mich.«
    Das ist alles, denke ich. Das sind die Fortschritte, von denen er redet. Unabhängigkeit. Vielleicht meint er damit, dass ich ohne Begleitung in Läden oder eine Bibliothek gehen kann, obwohl ich mir im Augenblick nicht mal sicher bin, ob dem so ist. Jedenfalls habe ich noch nicht so viele Fortschritte gemacht, dass ich sie stolz meinem Mann vorführen könnte. Ich weiß ja offenbar noch immer nicht jeden Morgen, wenn ich aufwache, dass ich überhaupt einen Mann habe.
    »Und das ist alles?«
    »Es ist wichtig«, sagt er. »Unterschätzen Sie das nicht, Christine.«
    Ich sage nichts. Ich trinke einen Schluck Kaffee und schaue mich in dem Café um. Es ist fast leer. Aus der kleinen Küche ganz hinten dringen Stimmen, dann und wann ein Brodeln, wenn das Wasser in einer Teemaschine anfängt zu kochen, der Lärm spielender Kinder in der Ferne. Kaum zu glauben, dass ich ganz in der Nähe von diesem Lokal wohne, mich aber nicht erinnern kann, je hier gewesen zu sein.
    »Sie sagen, wir treffen uns seit einigen Wochen«, sage ich zu Dr. Nash. »Was haben wir die ganze Zeit gemacht?«
    »Erinnern Sie sich an unsere Sitzungen? An irgendetwas daraus?«
    »Nein«, sage ich. »An gar nichts. Soviel ich weiß, sehe ich Sie heute zum ersten Mal.«
    »Entschuldigen Sie die Frage«, sagt er. »Wie gesagt, manchmal
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