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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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die Gemütlichkeit des Gehenlassens riecht oft nach Rauch, heute aber sehr speziell nach gedünsteter Zwiebel und ungewaschenem Mensch ... (Ich bin nicht Charlotte Roche, die sagt: "Waschen ist doof, aber es gibt so Tage, da ...") Ich beginne zaghaft, erste Buchstaben in mich reinzulassen. Mein Geist öffnet sich für die Welt eines anderen.
    23 Uhr 42 Das Buch war super. Es ging um einen Mann, der in einer WG wohnt und Drogen nimmt und gar nicht weiß warum, bis er merkt, dass er drogensüchtig ist und das erstmal schlimm findet, dann auf den Strich geht und das erstmal schön findet und dann nicht mehr, denn er wird anal inkontinent. Sein Darm wurde auf eine harte Zerreißprobe gestellt, als man ihm kalte Metallgegenstände reinrammte, aua ... Er starb auf Seite 243 und wurde, weil es ein indisches Buch war, als Grille wiedergeboren, alleinerziehend und schwermütig ... verrückt ... aber schöner Stil.
    0 Uhr 21 Ich puste die Kerze neben meinem Bett aus, nachdem ich einfach nur an die lieben Menschen da draußen gedacht habe. Ich weiß, es gibt auch ein paar böse Menschen da draußen, aber die werden uns nicht besiegen, nicht nach solchen Tagen wie heute.
Und schließlich ist es Mitgefühl
    Da war diese Party in einer Wohnung, nicht so toll, eben eine Party in einer Wohnung und alle tanzten zu Scheißmusik, weil sie auch nur Scheißmusik mögen. Überwiegend vergnügte sich hier langzeitstudentisches Volk. Jemand kam in die Küche, wo ich saß und mit steigendem Besoffenheitspegel Wodka in mich schüttete. Ich saß allein dort, auf einer Bank, vor einem Tisch, darauf eine Flasche, ein Glas und ein Aschenbecher. Weil ich viel Struktur brauche, rauchte ich zu jedem vierten Glas Wodka eine Filterzigarette. Der verrückte, kleine Filter, der den Dreck aus meiner Blutbahn hält. Alles verraucht hier, dachte ich noch. In der Küche waren auch Mädchen und die redeten Mädchenzeugs und tranken bunte Schnäpse. Uninteressant.
    Der kommende Jemand, so ein hippiemäßiger, Cordhosen tragender, Baumwollhemd behangener Jüngling gesellte sich zu mir, wohl auf der Suche nach Sozialkontakten, aber ich wollte allein trinken, alles vorbeirauschen lassen, was vorbei ist, alles verstehen, und das kann man nicht, wenn jemand einen seitlich volltextet. Na ja, Küchenpartys bergen Risiken. Er setzte sich also direkt neben mich auf die Küchenbank, strich sich seine blöden, blonden Rastazöpfe aus der Stirn und nippte an seinem schwulen Becks Gold und machte sich auf diese Weise schon mal hochgradig unsympathisch.
    Er hatte schöne Augen, fiel mir auf, aber jetzt bloß nicht sentimental werden. Schöne Augen sollen schweigen, dachte ich so bei mir.
    Bevor der Jüngling nun aber seine Stimme erheben konnte, sprach ich ihn an, um schon mal was aus dem Weg zu räumen, was von ihm an Unbehaglichkeit ausgehen könnte. Also wenn schon reden im Suff, dann auch richtig. Der Wodka war ein Gedankenbeschleuniger und fühlte sich gut im Bauch an. Ich begann: "Alter, weißt du, was ich kacke finde? Menschen, Alter. Menschen, die eine Meinung haben und sie ständig vertreten müssen. Da reicht es schon, das Wetter anzusprechen, und schon ist man bei CO2 produzierenden Kühen. Dazu das Blitzen in den Augen, wie nach dem ersten Mal alleine scheißen gehen - Schaut mal, ich kann das auch ganz alleine und mach jetzt immer weiter so. Hu hu, so jemand kann doch nur neurotisch vorbelastet sein." Er nickte und sah mich an. Das hat ihn wohl noch nicht abgeschreckt. Ich erhöhte um folgende Meinung: "Ich hasse außerdem Menschen die Rilke oder Hesse lesen, gleichzeitig schwul und hetero sind, Rammstein und gleichzeitig Hello Kitty mögen, oder die alles hassen, aber Tiere lieben, so Spinner gibt's ja wirklich. Außerdem verachte ich aus tiefster Seele Leute, die Werte vermissen und gleichzeitig Werte hassen, diese moralisch verseuchten, abgestumpften Moralmenschen, die dann auch noch Kurznachrichten im Rekordtempo schreiben und immer, immer wieder ihren eigenen körperwarmen Gefühlsbrei wiederkäuen. Wie ekelhaft ist das eigentlich?" Der Rastamann wollte grad ansetzen, rang nach Worten, nach Dialog, nach einer Antwort auf das Dauerfeuer meiner Befindlichkeitsanalyse, aber jetzt war ich in Fahrt: "Pass auf, Alter", fuhr ich fort, "mein Hass gebührt weiterhin denen, die wissen wie der Hase läuft und das auch genau so äußern: ‚Ich weiß, wie der Hase läuft'; und das, obwohl sie absolut keinen Plan haben. Solche Leute lachen auch so unvermittelt, wenn
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