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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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mich fesselt. Tolles Duett, denke ich und frage: "Noch Wein?", und sie nickt und ich schenke nach. Auch mir. Ich trinke. Sie schwelgt. Meine wunderbare Gästin.
    Heißt übrigens Katrin, die Gästin, und ist schon seit langem mit mir befreundet. Sie weiß, wer ich warum bin und wie das alles kam und so. Sie checkt es in den richtigen Momenten die korrektesten Fragen der Welt zu stellen, deswegen ist sie meine Freundin. Sie mag Björk (kann passieren), mag Essen, das ich zubereite, und sie mag mit mir rumhängen und nicht allein sein und dabei tragische Filme, vorzugsweise aus Skandinavien, gucken. Wir haben gern gemeinsam verrückte Ideengeburten. Katrin raucht. Das macht sie gern. Ich auch. Ich rauche auch. Rauchen sieht toll aus. Bei Katrin und bei mir. Dabei nimmt man eine Haltung ein, haben wir festgestellt, in der man uns zwei, wenn man uns betrachtet, einfach gut finden muss.
    Ich habe keine Partnerin, Katrin nur zwei Katzen, die sind jetzt allein zu Hause und machen Katzendinge, die Katzen tun, wenn sie mal alleine sind. Also sich Käsebrote machen und Pornofilme gucken, kennt man ja von diesen Tieren, und wenn man dann wieder heimkommt, dann tun die Mistviecher so medienkritisch wie Roger Willemsen und schlummern in ihren Ruhezonen. Aber immer liegt die Fernbedienung woanders, hat Katrin mal berichtet, und Käse fehlt auch immer und Brot auch.
    Komisch, aber passt ja, wenn diese Tiere ihre Begabungsinseln nicht im Angesicht von Menschenaugen besiedeln. Würde ich als Katze genauso machen.
    Die Abwesenheit einer Freundin an meiner Seite hat viele Gründe, einer ist zum Beispiel, dass ich komische Anziehsachen trage und häufiger auch mal gar keine, aber wenn welche, dann komische. Also nicht so Clownstyle, sondern eher so 70er-Jahre-Scheiß, den ich mir zusammengesucht habe, und alles sitzt nicht, aber wir haben ja auch schon 2008 und Katrin hat sich schon wieder eine Zigarette angemacht, nein zwei sogar, und eine steckt sie mir jetzt zwischen die Lippen. Wir rauchen. Beide. Harmonisch und gleichförmig. Aus Gründen.
    "Sag mal", beginnt sie ein Gespräch und es soll ein ernstes werden, "warum haben wir eigentlich noch nie miteinander geschlafen?" Als der Inhalt dieser Frage in meinem Hirn und auch in meinem Restkörper angekommen ist, sehe ich sie, wie sich ihr kleiner Kopf mit verschlossenen Augen auf mich zubewegt, dann spüre ich ihre Zunge im Ohr, die sich da bewegt, als suche sie was. Ihre Hand berührt meinen Oberschenkel, die andere meinen Bauch, beide Hände auf der Reise, mein Körper reagiert wie ein typischer Körper, dem Zärtlichkeit passiert. Dann machen meine Gedanken einen Zeitsprung und ich sehe Katrin und mich in diversen Stellungen endlos geil ficken. Die Hormonsuppe kocht über, wir keuchen, unsere Hirne existieren nicht mehr, wir schreien, graben uns durch die Haut des jeweils anderen, sind nur noch ein großer oranger Ball aus Feuer, dem Feuer der ultimativen Extase, und unsere Körper stehen zum Abschuss frei. Ich drehe mich zu Katrin, die mich nur anguckt und raucht und Wein festhält, um und frage sie: "Wieso? Hast du Lust?" Sie überlegt nicht und sagt: "Nö, eigentlich nicht und du, hast du Lust?" Björk schreit wieder, ich schwenke den Rotwein und sehe in Katrins andächtig blickende grüne Augen und sage: "Nö, grad nicht."
    Die Björk-Platte endet. Die Stille ist dünn und durstig und verlangt nach Füllung durch Geräusch. Man könnte ja jetzt Punkrock auflegen, Punkrock, der ein subtilschönes und verstörtes Scheißegalgefühl in den Raum schleudert, eine Exploited-Platte zum Beispiel, und die Situation wird wieder stabilisiert. Aber ich entscheide mich gegen Punkrock. Ne, kein Punkrock, alter Rap, einfach mal alter Rap. Rap aus der Zeit, als Rap noch Rap war und kein Hip Hop. Ich habe jetzt Lust auf Public Enemy, Katrin mag Public Enemy und ich wähle deren neues Album aus und mit den ersten Beats und Chuck Ds ersten Rhymes trinke ich mein Weinglas leer. Katrin lächelt und trinkt auch das ihre leer. "Komm, lass uns was Verrücktes tun", durchkreuzt ihre fast hyperventilierende Stimme plötzlich die musikalischen Arrangements von Public Enemy, "lass uns in deinem blöden Auto nach Prag fahren und zwei Äpfel und drei Frikadellen mitnehmen, und die aber schon vor der tschechischen Grenze gemeinsam aufessen." Ich überlege kurz, aber eigentlich auch nicht, Überlegen ist manchmal tödlich.
    Ich stimme zu, habe natürlich keine Frikadellen im Haus und wir fahren los und in
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