Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
Vom Netzwerk:
irgendeinem Miezhaus gucken zwei Katzen Pornos.
Gedanken zum Jahreswechsel
    Kennen Sie das, liebe Leser, es ist Ende Dezember, draußen toben Stürme, als flüchteten sie vor etwas, nebenbei peitscht Regen gegen Fensterscheiben, und zwar nur, um diesem Bild Vollkommenheit zu geben. Nur damit man sich als Mensch in einer Unterhose wohlfühlt, nur deswegen, wegen dieser Ausschließlichkeit. Da kommt dann eine Melancholie auf, eine, die den Regenzuschauer mit dem Regen befreundet werden lässt, weil der Regen es ist, der uns zum richtigen Erleben diverser Situationen führt.
Ein Tag in der Unterhose oder
Mein letzter Sonntag 2007
    6 Uhr 28 Zu Bett gehen, wanken, der Flur verformt sich, es sind deutlich mehr Schritte als sonst zu gehen, der Flur ist lang, aber so hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Im Wohnzimmer ist alles zerfeiert, ich habe grade erst die Musik ausgemacht, das letzte Stück war von Nick Cave und hieß "I let love in". Leichte Schmerzen überall, zwei Gäste liegen noch ebenso breit wie ich im Wohnzimmer auf sogenannten Schlafsofas, die wollen in einigen Stunden einen Zug nach Süden nehmen. Der Raum stinkt, ich stinke, zwei Schritte, da steht es, mein Bett. Der Abend war geprägt von angenehmen Gesprächen mit angenehmen Menschen, und man möchte annehmen, dass es gut war, war es auch, nur Zeit, die Zeit ist ein Arschloch, die uns in Bett treibt, weil wir keine Drogen nehmen, die Betten überflüssig machen, sondern nur welche, die Betten wertvoll machen. Ich liege da, lediglich in meiner Unterhose und bin erfüllt, und das Letzte, was ich höre, ist ein einfahrender Zug, der in den nahegelegenen Bahnhof rauscht. Schlaf.
    9 Uhr 55 Es klingelt der Wecker oder vielmehr mein Handy in Form der Melodie der Lindenstraße. Ich habe den Gästen versprochen, ihnen ein Frühstück zu machen, aber schon bei dem Gedanken an das Wort "Frühstück" begibt sich mein Magen in eine seltsame Position, die ziemlich nah an meiner Mundöffnung ist. Ich stehe auf, jemand wackelt an meinem Zimmer, Gott hat Humor, ungefähr nach zehn Schritten, also zwei Minuten, bin ich in der Küche, die Kaffeemaschine weiß, was ich von ihr will, sie hilft mir ein wenig und ich halte mich an ihr fest. Die Gäste sind schon wach, reden leise im Wohnzimmer, haben schon die halbe Bude aufgeräumt und sitzen da und rauchen Selbstgedrehte. Den Gästen wird ein Kaffee gereicht und es wird ihnen erklärt, wo der Bahnhof ist, sprechen geht noch gar nicht so gut, aber ich habe ja Hände und Augen, meine Gäste verstehen mich ...
    10 Uhr 45 Es werden die nach Bier und Zigaretten riechenden Gäste liebevoll aus der Wohnung gekuschelt, um elf Uhr soll der Zug gehen. Ich stehe am Fenster und sage "Da!" und deute auf den Bahnhof in ungefähr einem Kilometer Luftlinie, und die Gäste sagen "Aha", umarmen mich, bedanken sich für die Herzlichkeit meiner Gastfreundschaft, und es schließen sich Türen hinter ihren Ärschen, und anschließend noch ein Kaffee gemacht und stehen gelassen und dann doch wieder zurückerinnert und lauwarm getrunken ...
    11 Uhr 05 Ich liege im Bett mit Schokolade und Literatur und freue mich, dass es so ein unaufgeregter Text ist ... Lesen, das ist zweckfrei verbrachte Eigenzeit, pädagogisch wertvoll, denn ich lerne: nichts, weil ich lese: Popliteratur.
    12 Uhr 35 Ich will doch nochmal schlafen, keine Verpflichtungen oder Menschen, die am heutigen Tag auf mich warten würden. Die Schönheit und die Wohltat nichts machen zu müssen, ich trage immer noch die Unterhose von gestern, sie ist schon wie ein Körperteil, sie gehört da einfach hin, und die Entscheidung, heute auch mal gar nichts anzustellen, gehört auch in dieses Bett, das schon langsam meinen Geruch und meine Körperform annimmt. Das ist die Extase des Nichtstuns, böse Menschen sagen gammeln, ich sage: Ich bin die Geilsten, und zwar alle zusammen!
    16 Uhr 23 Mich reißt das Telefon aus dem Schlaf, am anderen Ende eine besorgte Mutter, nicht meine, aber eine, die meint, den Sonntag an Telefonen verbringen zu müssen, und die Philosophie über verschiedene Realitäten lostreten mag. Sie bemerkt meine Zurückhaltung, weil ich die Breite meines Kopfes bemerke und dessen puddingförmigen, wabernden Inhalt, und das ist alles sooo unpassend zur Geschwindigkeit ihrer Worte, vom Inhalt mal ganz zu schweigen. Sie ist eine dieser Mütter, die anderen Müttern auf die Fresse haut, wenn diese mit qualmenden Zigaretten Kinderwagen schieben. Ich mag sie, aber heute ist Unterhosentag,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher