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Ich bin ein Stern

Ich bin ein Stern

Titel: Ich bin ein Stern
Autoren: Unbekannt
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wurde niemals wahr. Sie starb im Aller von neun Jahren in Auschwitz.
    Kurz vor meinem achten Geburtstag wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Doch bevor ich zurück zu meinen Eltern durfte, wurde ich in einem großen Kübel mit einer Desinfektionslösung gewaschen, um wenigstens einen Teil meiner Läuse loszuwerden. Die Haare waren mir sehr kurz geschnitten worden, und Mama benutzte einen kleinen Kamm mit engen Zinken, die mir die Kopfhaut aufkratzten, damit ich die letzten Läuse vielleicht auch noch loswurde.
    Schlimm waren auch die Latrinen. Bis heute denke ich noch an die schrecklichen Bauchschmerzen vom ständigen Durchfall und an den langen Weg zu den Gemeinschaftslatrinen, die immer überfüllt waren und keinerlei Privatsphäre boten.
    Die meisten Erwachsenen im Lager wurden gezwungen zu arbeiten. Einige Frauen wurden ausgesucht, um Glimmer zu spleißen, der von den Nazis zur Waffenherstellung benutzt wurde. Dies galt als gute Arbeit, da sie die Leute manchmal davor bewahrte, in den Osten deportiert zu werden. Mamas erste Arbeit im Lager bestand darin, die Wäschc von Typhuspatienten zu waschen. Eines Tages entdeckte sie einen sehr hohen Haufen von Tüchern, die sie für schmutzige Bettlaken hielt. Als sie die Laken aufheben wollte, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen, dass es sich um Leichen handelte, die damit zugedeckt waren. In Theresienstadt starben die Menschen wie Fliegen.
    Mama ging es dann besser, als sie Krankenschwester im Altenkrankenhaus wurde. Oft wählte sie die Nachtschicht, weil sie dann eine Extraration Brot bekam. Ich erinnere mich daran, dass diese todkranken Leute Stöcke in den Händen hielten, um die Ratten abzuwehren, die manchmal zu ihnen in die Betten sprangen. Jede Nacht starb jemand und die angestellten Häftlinge teilten die zurückgebliebenen Essensrationen und die Kleidung untereinander auf.
    Papa hingegen durchwühlte täglich die Abfallhaufen auf der Suche nach Kartoffelschalen und verfaulten Rüben. Wenn er großes Glück hatte, fand er ausgekochte Pferdeknochen, die wir noch einmal kochten, um auch die letzten Fettreste und Knorpel herauszubekommen.
    Papa hatte immer gute Einfälle und versuchte, das Beste aus einer Situation zu machen. Bevor wir nach Theresienstadt abtransportiert worden waren,
    hatte er sich einen kleinen Transportwagen ausgedacht, der uns das Gepäcktragen erleichtern
    sollte. Der Wagen bestand aus einem eisernen Gefell und vier kleinen Rädern und konnte zusammengeklappt werden. Nach unserer Ankunft in Bohusovice war uns der Wagen samt Gepäck abgenommen worden. Eines Tages sah Papa im Lager einen Mann mit diesem Wagen. Die Transport-nummer, die er zu Hause sorgfältig aufgemalt hatte, war noch recht gut sichtbar. Wunderbarerweise hatte der Wagen seinen Weg hierher ins Lager gefunden. Es war nicht einfach, dem Mann klarzumachen, dass Papa der Eigentümer des Wagens war. Doch endlich gab er ihn uns zurück.
    Papa benutzte den Wagen zum Transportieren der Kohlenstaubsäcke, die er den alten Leuten brachte, damit sie ihre Räume etwas wärmen konnten. Sie waren zu schwach, um sich ihren Brennstoff selbst zu holen. Für diese Arbeit wurde er mit kleinen Brotrationen oder ein paar Kartoffeln entlohnt. Der Wagen war schwer zu lenken und Papa kam oft mit blauen Flecken und Wunden an den Beinen nach Hause.
    Für meine Puppe machte ich aus einem Pappkai ton ein Bett am Kopfende der obersten Pritsche, auf der ich schlief. Eines Tages entdeckte ich in dem Karton eine tote Maus, ebenfalls ein Opfer des Hungers. Noch nicht einmal eine Maus konnte genug Brotkrumen finden, um hierzu überleben.
    Der Winter war die schlimmste Zeit für uns in Theresienstadt. Die überfüllten Kasernen und die Zimmer in den alten, verfallenen Häusern waren bis zum letzten Zentimeter mit zitternden Menschen belegt. Es gab nur einige wenige Öfen und die vertrieben kaum die bittere Kälte des böhmischen Winters. Heizmaterial war nur schwer zu bekommen. Kohlen waren rationiert und immer zu wenig. Meistens bestanden sie ohnehin nur aus Kohlenstaub. Alles, was man verbrennen konnte, landete im Ofen. Sogar Buchumschläge wurden verheizt. Die Seiten dienten als Toilettenpapier. Wie durch ein Wunder tauchten immer wieder einige Bücher im Lager auf. Aber dort, wo die größten Anstrengungen der Menschen dem Überleben galten, bestand kaum Bedarf an ihrem Inhalt.
    In der kalten Jahreszeit wurden viel mehr Leute krank. Unterernährung und mangelnde Hygiene hatten auch die Stärksten schon
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