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Ich bin ein Stern

Ich bin ein Stern

Titel: Ich bin ein Stern
Autoren: Unbekannt
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wurde eingesetzt, der die Verwaltung der internen Angelegenheiten regelte. Vorsitzender dieser Gruppe war der »Judenältes-te Die wichtigste Aufgabe dieses Rates bestand darin, nach den Anweisungen der SS die Listen von Häftlingen für die Deportationen in den Osten zusammenzustellen. Theresienstadt stand unter der absoluten Herrschaft eines SS-Kommandanten.
    Zwischen 1941 und 1945 sind insgesamt 140000 Menschen nach Theresienstadt geschickt worden; 88000 von ihnen wurden in die Vernichtungslager im Osten deportiert; 35000 starben in Theresienstadt an Unterernährung und Krankheit.
    Nicht weit von dem großen Lager, in dem ich war, befand sich auf der anderen Seite des Flüsschens
    Ohre ein kleines Lager, das »Kleine Festung« genannt wurde und ebenfalls zum Komplex Theresienstadt gehörte. Es war jedoch ein Militärgefängnis und hatte einen eigenen SS-Kommandanten. Außerdem diente es als Ort für Sonderstrafen wegen irgendwelcher Verfehlungen, die wir im großen
    Lager begingen. Unsere Verbrechen bestanden zum Beispiel darin, dass wir Kartoffeln stahlen oder die Lebensbedingungen, wie sie »wirklich« waren, aufzeichneten. Die Kleine Festung verfügte über Einzelhaftzellen und einen Schießplatz. Es war ein schrecklicher Ort, der genauso gefürchtet wurde wie die Deportation nach dem Osten.
    Theresienstadt war grausam. Die unmenschlichen Bedingungen brachten die niedrigsten und in anderen Fällen auch die edelsten menschlichen Verhaltensweisen zum Ausbruch. Hunger macht Menschen selbstsüchtig und reizbar.
    Nach unserer Ankunft in Theresienstadt mussten
    wir durch die »Schleuse« in einer
    unterirdische Zelle, wo wir bei einer Körperkontrolle nach versteckten Wertsachen abgesucht wurden. Nach dieser Durchsuchung wurden wir ins Dachgeschoß der Dresdner Kaserne gebracht, einer besonders großen Militärbaracke aus Backstein mit Exerzier-plätzen und gähnenden Torbogen. Dort fand uns der »Engel in der Hölle«, Frau Rinder, eine Tschechin,
    auf dem nackten Steinboden liegend. Sie fragte, ob in dem neu angekommenen Transport ein Kind sei. Finger deuteten auf mich.
    Hunderte von Menschen irrten hoffnungslos in diesen dunklen, stickigen Räumen umher. Sie stolperten über die Toten, die mit Tüchern zugedeckt waren, und verloren sich in der Masse der Neuangekommenen. Frau Rinder war schon längere Zeit mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn Tommy in Theresienstadt. Diese gütige Frau, die wir vorher gar nicht gekannt hatten, gab mir eine Matratze, indem sie die ihres Sohnes halbierte. Herr Rinder hatte das Glück, in einer der Lagerküchen zu arbeilen, und konnte deshalb manchmal etwas von dem Essen, das er zusätzlich bekam, mit uns teilen. Eine liefe Freundschaft entstand zwischen uns, bis zum Herbst 1944, als die ganze Familie Rinder nach
    Auschwitz deportiert wurde, zum Tod in den Gaskammern.
    Unter diesen schrecklichen Bedingungen verloren manche Leute ihren Lebenswillen und brachten sich um. Einige Tage nach unserer Ankunft in Theresienstadt sah mein Vater einen Mann, der aus einer Dachluke der Dresdner Kaserne springen wollte. Papa gelang es, ihn an den Beinen zu packen und zurückzuziehen. Zu seiner Überraschung handelte es sich um einen alten Mann aus unserem Transport. Papa redete ihm ermutigend zu und nahm ihm das Versprechen ab, dies nicht wieder zu tun. Am nächsten Morgen lag ein zerschmetterter Körper leblos im Hof der Kaserne. Es war der alte Mann.
    Bald nach unserer Ankunft wurden wir in andere Wohnbereiche umquartiert. Meistens wurden die Männer, Frauen und Kinder in getrennten Unterkünften untergebracht. Ich konnte glücklicherweise bei meinen Eltern im Quartier der Kriegsversehrten aus dem letzten Krieg bleiben. Besonders für Kinder war das Leben extrem hart und fremd. Wir schliefen auf dem Fußboden oder, wenn wir Glück hatten, auf Strohsäcken, eng zusammengepfercht auf zwei- oder dreistöckigen Pritschen. Die
    Luft in den Räumen war schlecht und stickig im Sommer und eiskalt im Winter.
    Wir wurden schnell erwachsen und selbständig. Die wichtigsten Wörter in unserem Sprachschatz waren: Brot, Kartoffeln und Suppe. Das ganze Leben drehte sich um Essen. Unsere knurrenden Mägen
    erinnerten uns ständig an unsere gegenwärtige Lage. Wir sehnten uns nach unseren Freunden zu Hause, nach den Spielsachen, die wir hatten zurücklassen
    müssen, nach einem weichen Bett und all den anderen, früher so selbstverständlichen Bequemlichkeiten.
    Wir hatten nur wenige Spielsachen im Lager, da uns
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