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Ich bin ein Stern

Ich bin ein Stern

Titel: Ich bin ein Stern
Autoren: Unbekannt
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zu verstecken. Mama und ich zitterten vor Angst, bis er wieder zu Hause war.
    Papas Aktion war nicht zu früh gewesen. Am nächsten Tag wurden alle aus unserem Haus aufgefordert,
    sich im Hof unseres Gebäudekomplexes zu versammeln. Unsere Quartiere sollten durchsucht werden. Ich hatte Angst, meine Puppe mitzunehmen, damit die »Aufsehweiber« nicht annahmen, ich würde in ihrem Körper etwas verstecken. Ich hoffte nur, dass sie, wenn sie Marlene fänden, vorsichtig mit ihr umgehen und ihr nichts antun würden. Angsterfüllt warteten wir im Hof. Die Durchsuchung ging glücklicherweise gut vorüber, nichts Unerlaubtes wurde in unserem Haus gefunden und wir durften wieder zurückgehen. Ich schaute sofort nach Marlene. Sie war noch heil und schlief friedlich in ihrem Pappschachtelbett.
    Papa musste ein paar Tage später unsere kostbaren Kartoffeln nachts wieder zurückbringen und so die gleiche Aufregung noch einmal durchstehen.
    Einige Versuche wurden gemacht, uns in so genannten Beschäftigungsklassen zu unterrichten. Schule war absolut verboten, aber einige mutige Lehrer versammelten uns Kinder auf den Dachböden der Kasernen oder an anderen Orten, wo ein bisschen Platz war. Sie unterrichteten uns aus dem Gedächtnis, denn es waren nur wenige Schulbücher ins Lager geschmuggelt worden.
    In einer Englischstunde lernte ich das Gedicht »I Wish I Were«, das ich in ein zerfleddertes Notizbuch schrieb.
    »Ich wollte, ich wäre ein kleiner Vogel, hoch oben am blauen Himmel, der singt und fliegt, wohin er will, und niemand fragt ihn, warum.«
    Es gelang mir, dieses Buch so zu verstecken, dass es bei Inspektionen niemals gefunden wurde, auch
    nicht bei einem der gefürchteten Besuche Adolf Eichmanns im Lager.
    Ich erinnere mich lebhaft an den Bohusovicer Kesselappell
    am 11. November 1943. Es war das einzige Mal, dass ich je außerhalb der Lagermauern war. Uns wurde gesagt, dass einige Insassen vermisst würden und ein vollständiger Anwesenheitsappell außerhalb des Lagers stattzufinden hätte. Mindestens
    40000 Häftlinge wurden sehr früh am Morgen auf ein großes, schlammiges Feld getrieben. Es war ein kalter und regnerischer Tag. Wir wussten nicht, was mit uns passieren würde. Wir waren von Soldaten
    und Gewehren umringt und bekamen den ganzen Tag lang nichts zu essen. Toiletten standen uns nicht zur Verfügung. Ich beobachtete voller Entsetzen, wie ein SS-Mann mit dem Gewehrkolben auf den Rücken meiner Mutter einschlug.
    Einige Leute waren tatsächlich geflohen und waren vielleicht schon in Sicherheit. Nachrichten über die Ansammlung so vieler Häftlinge vor dem Konzentrationslager Theresienstadt mussten durchgesickert sein und wurden vom englischen Sender verbreitet. Folglich kamen keine Befehle mehr aus Berlin, an diesem Tag weitere Aktionen durchzuführen. Nach Mitternacht kehrten wir ins Lager zurück. Viele Menschen waren auf dem Feld an Er schöpfung, Kälte und durch die heftigen Schläge gestorben.
    Ende 1943 tauchten Gerüchte über Massenmorde im Osten auf. Das Internationale Rote Kreuz ver langte die Erlaubnis, eines dieser Lager zu besichti gen, um herauszufinden, ob die schrecklichen An schuldigungen der Wahrheit entsprachen. Die Nazis wählten zu diesem Zweck Theresienstadt aus. Viele Monate vergingen, bevor dem Verlangen am 23. Juni 1944 endlich nachgegeben wurde. In zwischen hatte man Theresienstadt einem »Ver schönerungsprogramm« unterzogen. Einige Teile des Lagers waren gesäubert worden. Man hatte eine Anzahl Blocks mit Straßenschildern versehen und einen Kinderpavillon eingerichtet, als Beweis dafür, wie normal das Leben hier sei. In der Ortsmitte gab es ein neues Cafehaus, in dem sich nur einige Auserwählte aufhalten durften. Eine Bank war eröffnet worden, und ein spezielles Lagergeld wurde ausgegeben, das Moses mit den Gesetzestafeln zeigte. Mit diesem wertlosen Geld konnte man allerdings nur scharfen Senf kaufen. Außerdem gab es Hinweisschilder zu einem nicht vorhandenen Spielplatz und zu einer Schule.
    Einige Leute hatten neue Kleider und zusätzliche Essensrationen bekommen. Ein paar Kinder erhielten Schokolade und Sardinenbrote genau in dem Augenblick, als die Delegation vorbeiging, und es wurde ihnen befohlen, zu unserem verhass-ten Lagerkommandanten Rahm zu sagen: »Onkel
    Rahm, schon wieder Sardinen?« Ich gehörte nicht zu den Glücklichen.
    Mitten im Ort spielte ein Orchester in einem neu errichteten Musikpavillon.
    Die Bereiche des Lagers, die mit den Besitz tümern
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