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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein
Autoren: Tanja Steinlechner
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du dazu? Würdest du Maya etwa von dir stoßen, wenn sie dir einen blasen wollte? Eure andauernden Wangenküsschen können doch nicht alles sein?“
    Jens gähnte. Er kannte die Spielchen seiner Cousine. Irgendwann wurden sie langweilig. Er wusste ziemlich genau, wie der kleine Disput weitergehen würde. Es war nicht das erste Mal, dass Maya sich von Anja provozieren ließ. Ihr Streit um Lust und Moral war schon zu einem festen Bestandteil ihrer regelmäßigen Campingwochenenden geworden.
    Maya und Jens kannten die ungewöhnliche Beziehung, die Anja mit ihrem Bruder pflegte. Während Maya den Gedanken ziemlich abstoßend fand, hatte Jens keine Probleme damit. Eine nicht ganz alltägliche Form von Geschwisterliebe – warum nicht? Jeder nach seiner Façon. Er hatte keine Lust, sich zum x-ten Mal die immer gleichen Argumente anzuhören. Außerdem war ihm der billige Wein zu Kopf gestiegen. Mit einem Kuss auf Mayas Wange und einem leicht genervten Blick auf Anja verabschiedete er sich und kroch ins Zelt. Die Luft war stickig, aber wenigstens gab es hier drinnen keine Stechmücken. Bevor er einschlief, hörte er noch einmal Anjas Stimme, die sich mit unverhohlener Belustigung über Mayas Unverständnis amüsierte:
    „Nein, ich behaupte nicht, dass ich mit meinem Bruder geschlafen habe. Ich habe dich nur gefragt, ob du ein Problem damit hättest,
wenn
ich es getan hätte. ... Wie bitte? ... Nein, aus der Tatsache, dass ich es nicht abstreite, folgt nicht logisch, dass ich es getan habe. Vielleicht habe ich einfach Spaß daran, dich im Ungewissen zu lassen. Und es gilt noch immer der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. ... Ach, du bist so süß, wenn du dich wegen solcher Kleinigkeiten aufregst!“
    Jens hörte das erste Donnergrollen. Schwere Tropfen fielen auf das Zelt. Das Gewitter begann.
    „Blutfreveler! Macht es dir Spaß, deinen mickrigen Stinkepimmel in die Schandfotze deiner kleinen Schwester zu stecken?“
    Jens und Maya hörten gar nicht richtig hin, als Pit sie mit seiner üblichen Schimpfkanonade bereits am Hoftor erwartete. Anscheinend war er gerade im Nutzgarten gewesen. In der einen Hand hielt er ein Büschel Grünzeug, in der anderen ein kleines, dreckiges Messer. Damit fuchtelte er aufgeregt herum. Als er hektisch den Schweiß von seiner Stirn wischte, hätte es sie nicht überrascht, wenn er sich im Eifer des Scheingefechts selbst ein Auge ausgestochen hätte.
    Pit war der geistig zurückgebliebene – dafür aber an Religion und zwanghafter Vulgärsprache leidende – Halbbruder ihrer Großmutter. Schon als kleine Kinder hatten sie sich daran gewöhnt, dass er ihnen regelmäßig auf recht unflätige Weise das Ende der Welt oder doch zumindest den Untergang des Abendlandes prophezeite. Genauso war er seit Jahren geradezu von der fixen Idee besessen, dass Jens und Maya eine inzestuöse Beziehung hätten. In seiner beschränkten Sicht der Dinge gab es nur schwarz oder weiß, und die Menschen waren grundsätzlich schlecht. Freundschaftliche Wangenküsse und harmloses Händchenhalten in schillernden Grauzonen überstiegen seine Vorstellungskraft. Pit war durch und durch sonderbar. Aber er war ungefährlich. Selbst wenn er sie bei was auch immer erwischen und es sofort jedem erzählen würde: Niemand würde ihm glauben.
    Sie wollten ihn einfach reden lassen, als er ungeachtet ihres freundlichen Lächelns fortfuhr, mit seiner krächzenden Stimme zu schimpfen:
    „Elende Scheißficker! Wie die Bankert eurer Tante! Dreckiges Hurenpack! Versündigt euch gegen den Herrn und lacht mir auch noch dreckig ins Gesicht. Narrenfotzen! Ich schwöre bei Gott: Es wird Blut fließen! Wenn ich euch jemals bei euren unzüchtigen Handlungen erwische, dann ...“
    „Was dann? Willst du uns dann vielleicht dabei zuschauen und dir einen runterholen?“
    Jens klang eher belustigt als drohend. Jedesmal unterbrach Pit seinen Sermon genau an dieser Stelle. Entweder dachte er an so schlimme Dinge, die er unmöglich aussprechen konnte, ohne sich selbst gegen seinen Herrn zu versündigen – oder er war einfach nicht fähig, sich etwas auszudenken. Als er nicht antwortete, sagte Jens, noch immer belustigt:
    „Wie auch immer. Grüße deine Ziegen von uns, wenn du dich das nächste Mal wieder so hingebungsvoll um sie kümmerst. Die Tierchen müssen dich ja fast genauso lieb haben wie du sie.“
    Jens griff nach der Hand seiner Schwester und drückte sie. Maya lächelte ihn an. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Als Pit, noch
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