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Rosen lieben Sonne

Rosen lieben Sonne

Titel: Rosen lieben Sonne
Autoren: David M Pierce
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    Versprechen muß man brechen, hat irgend jemand mal gesagt. Vermutlich eine Frau.
    Ich hatte mir selbst versprochen, nie wieder zu fliegen, und hier saß ich nun: bis an die Halskrause voll mit Beruhigungsmitteln, in jeder Hand einen Drink, Gott weiß wie viele tausend Fuß hoch in der Luft. Mein wunderbares, wertvolles Leben lag in den Händen irgendeines frechen Draufgängers, der vermutlich glaubte, er flöge immer noch die Andenpost aus.
    Das Flugzeug sauste durch ein Luftloch, und ich sauste zu dem offenbar für Zwerge konzipierten Waschraum. Dort kauerte ich auf dem Boden und wunderte mich wieder einmal darüber, welch erstaunliche und todbringende Macht eine kleine blonde Frau, zugegebenermaßen eine der attraktivsten ihrer Art, über einen Macho-Muskelmann wie V. Daniel, einen gealterten, aber immer noch recht schlagfertigen Privatdetektiv, hatte. Und es hatte sie nur einen Wimpernschlag und einen Blick aus ihren tiefblauen Augen gekostet.
    Dumm, o wie dumm!
    Unser Flugzeug, Aero Mexico 227 aus dem sonnigen Mazatlán, landete schließlich doch noch pünktlich in L. A., jedenfalls wenn man die mexikanische Zeit zugrunde legte. Anders betrachtet hatten wir 45 Minuten Verspätung. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes fix und fertig, hatte Sonnenbrand (Schultern und Nase) und einen Mordsdurst. Evonne war putzmunter, wundervoll braungebrannt (überall) und so hungrig, daß sie sogar den Flugzeugfraß verdrückt hatte: geschnetzeltes Eselfleisch auf Reis von letzter Woche. Zumindest sah es so aus.
    Nach den üblichen Aufenthalten bei Paßkontrolle, Gepäckausgabe und Zoll fuhren wir mit einem kostenlosen Shuttle-Bus zum »International«, auf dessen Parkplatz ich, raffiniert wie ich war, vor zehn Tagen, am Beginn unseres Urlaubes, meinen Wagen völlig gratis abgestellt hatte und somit den extraordinären Parkgebühren der Flughafenstellplätze entwischt war. Wir reihten uns auf den San Diego Freeway ein und fuhren Richtung Norden ins San Fernando Valley. Es war spätnachmittags an einem Julisonntag im Jahre des Herrn 1986. In Los Angeles war es schwül-heiß und ekelhaft versmogt, die Autos standen Stoßstange an Stoßstange. Das Heck des Mietwracks vor uns wurde von einem Aufkleber zusammengehalten, auf dem stand: »Hup doch, wenn du an Wunder glaubst.«
    Anders gesagt: Willkommen zu Hause.
    Gut dreißig Minuten später lieferte ich meine Liebste vor ihrer Haustür ab. Selbstverständlich half ich ihr mit dem Gepäck. Sie hatte diesmal überraschend wenig: nur zwei große Koffer, einen mittelgroßen und zwei kleinere. Und natürlich den riesigen Bastkorb, in den sie all ihre Souvenirs und Geschenke gepackt hatte, von denen ich nur die drei aufgerollten Bilder auf Baumrinde, einen handgefärbten Teppich, eine große Holzkiste, auf der in spanisch >Holzkiste< stand, einen lackierten Kerzenhalter aus einem verwachsenen Stück Wurzel und eine Dekolampe aus einem ausgestopften Leguan erwähnen möchte. Die Lampe war in hellem Limonengrün lackiert, und die Birne war dem unglückseligen Reptil ins Maul geschraubt worden — das ideale Geschenk für jemand, dem alles fehlt, sogar Geschmack. Ich war zutiefst geschmeichelt, als sie sie mir verehrte.
    Nach unserem Abschiedsküßchen fuhr ich in den Osten der Stadt zu meiner Adobe-Hazienda auf der Windsor Castle Terrace, die natürlich weder aus Adobe noch eine Hazienda war. Damals teilten sich meine Mutter und ich das oberste Stockwerk einer Stuck-Maisonettewohnung. Unter uns wohnte die Vermieterin und beste Freundin meiner Mutter, Phoebe (Fiib) Miner. Meine Mum war nicht zu Hause; sie hatte während meines Urlaubs bei meinem Bruder gewohnt. Während ich mein Gepäck aus dem Wagen holte, lehnte sich Fiib weit aus ihrem vorderen Fenster und überfiel mich mit der Mitteilung, meiner Mutter ginge es schlecht und ich könne sie ja mal anrufen.
    Nachdem ich gelüftet hatte, rief ich an. Mein Bruder Tony nahm ab. Er war zwei Jahre jünger als ich und sah ungefähr zehn Jahre jünger aus. Er bedankte sich artig für die Postkarte. Er bestätigte Fiibs Aussage. Mutter ginge es nicht besonders gut, nun ja, kein Rückfall, aber sie hatte einen weiteren unwiderruflichen Schritt nach innen, oder wohin immer sich die Geister von Leuten mit Alzheimer entfernen, getan. Seine Frau Gaye käme nicht so gut mit ihr zurecht, sagte er. Ob wir uns bald mal treffen wollten, um darüber zu reden? Natürlich, jederzeit, sagte ich. Gib ihr einen Kuß von mir, ich melde mich.
    Ich legte auf,
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