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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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blauen Pfeilen an der Wand, bis vor die Tür. Er schwitzte immer noch. Unter seinen Achseln bildeten sich große, feuchte Flecken. Er wischte die Hände an der Hose ab. Jörg Weber würde also dabei sein. Na gut. So hatte er das nicht geplant. Aber genau genommen erschien es ihm jetzt richtig so. Er klopfte, trat ein und nach einer kurzen Begrüßung erklärte er sein Anliegen. Aufklärung. Und Absolution. Er machte keinen Hehl mehr daraus. Ihm fehlte die Kraft, weiter Versteck zu spielen. Seine Seele lechzte nach Erleichterung. Hier und jetzt würde er damit anfangen und anschließend Robert Wagner aufsuchen.
    Conrad Neumaier drehte einen Stuhl um, setzte sich, stützte die Unterarme auf die Lehne und verschränkte die Finger fest in einander. Er ignorierte die Schweißperlen auf seiner Stirn und der Oberlippe. Dann fixierte er das komplizierte, mechanische Gestänge unter dem Krankenbett, mit dem man die Liegehöhe regulierte. Die ersten Worte fielen wie schwere Steine in den stillen Raum, begleitet nur vom Regen, der gegen die Fensterscheibe trommelte.
    »Herbst 1989. Irene war hochschwanger. Im Osten brodelte es, der große Durchbruch kündigte sich an, aber noch konnte es genauso gut eine große Katastrophe werden. Ich habe Verwandte dort. Der Kontakt war schwierig, man wollte alles wissen, aber niemandem Ärger einhandeln. Dann geschah dieser Mehrfachmord im Rotlichtmilieu. Klar, ich war kein Neuling mehr, hatte schon einiges gesehen, aber das war etwas Besonderes. Außerordentlich brutal. Das konnte der Beginn eines Bandenkriegs sein. Wir gerieten schnell unter Zugzwang. Ergebnisse mussten her. Dazwischen immer wieder diese Anrufe. Stockmann wollte einen Termin. Mit mir reden. Unbedingt mit mir. Warum auch immer. Er belagerte das Polizeipräsidium, stand unangemeldet vor meinem Büro. Verlangte ein Interview. Er war Student, schrieb nebenbei für eine Zeitung, wollte Schriftsteller werden. Heute nennt man das Stalking. Eine Stunde, geben Sie mir eine Stunde. Worum in Gottes Namen es sich überhaupt dreht, wollte ich wissen. Völlig entnervt. Dabei war ich auf dem Weg zum Wagen, in Eile, weil neue Beweise aufgetaucht waren. In Gottes Namen. Da fing er an zu lachen, wie passend diese Bemerkung sei. Das perfekte Verbrechen, der perfekte Verbrecher, ob ich das für möglich halte. Ob ich Dürrenmatt kenne und seine Verbrechertypen, ihre Beweggründe. Er wolle dem auf die Spur kommen, was Dürrenmatt angedacht hatte. Es nachvollziehen und beweisen, dass das perfekte Verbrechen möglich wird, wenn man alle Gefühle auszuschalten im Stande ist. Ich blieb stehen, völlig perplex. Dann brüllte ich los: ›Ich habe keine Zeit für Ihren albernen Schnickschnack! Falls es Ihnen entgangen ist, ich bin Polizist und habe einen Bandenkrieg vor der Haustür. Ob das perfekte Verbrechen möglich ist, interessiert mich einen Scheiß! Ihren fiktiven Unsinn müssen Sie alleine durchdenken. Da draußen warten reale Verbrechen darauf, dass ich mich um sie kümmere. Verschwinden Sie und lassen Sie mich ein für allemal in Ruhe!‹ Dann schubste ich ihn beiseite und stürmte zur Tür. Über die Schulter warf ich einen letzten Blick zurück. Sein Gesicht war wutverzerrt. ›Das werden Sie bereuen, Neumaier. Ich liefere Ihnen den Beweis. Bald schon. Und Sie werden nichts tun können. Dann lache ich Ihnen ins Gesicht. Aber damit ist es nicht vorbei. Es wird nie vorbei sein. Ich werde Sie treffen, wo es am meisten wehtut. Eines Tages werden Sie sich wünschen, mit mir gesprochen zu haben. Auf Knien werden Sie liegen und heulen: In Gottes Namen, hätte ich ihm doch bloß zugehört! ‹ Ich knallte die Tür zu und vergaß ihn. Ein durchgedrehter Irrer. Keine Zeit für so was. Bis dieser Mann von der Brücke stürzte. Es war nicht so, dass Stockmann jemals ernsthaft verdächtigt wurde. Es gab keine Verbindung zwischen ihm und dem Toten. Niemand hatte ihn in der Nähe gesehen. Es gab keine Zeugen. Aber er tauchte wieder vor dem Präsidium auf in dieser Zeit. Er kam nicht mehr zu mir, um mit mir zu sprechen, machte nur gelegentlich Handzeichen, lächelte, lachte. In der Zeitung mehrten sich Berichte, Kommentare, die Polizei sei unfähig, den Täter zu schnappen, und nur deshalb, weil man sich keine Blöße geben wolle, würde versucht, den Fall als Selbstmord zu vertuschen. Folge war, dass wir immer heftiger in die Kritik gerieten. Wer die Anschuldigungen streute, blieb offen. Aber mir war klar, wer dahintersteckte. Schließlich wurde aus dem
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