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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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konnte zu springen. Das Wasser war eiskalt. Er tauchte unter und nicht mehr auf. Schade eigentlich, dachte ich. Es ging so schnell. Sein Gesicht habe ich nicht gesehen. Befremdlich der Gedanke, es könnte angenehm sein, wenn er mir vor seinem Tod in die Augen gesehen hätte? Eitel, der Wunsch, in seinen Augen die Frage zu lesen: Warum? Oder: Wer bist du? Mag sein. Dieser Mord war noch nicht perfekt – das kränkte mich. Auch, dass es so leicht gewesen war.
    Diesen ersten und alle meine folgenden Morde habe ich in meinem letzten Roman beschrieben. Aus der Sicht des Mörders. Ich habe sie alle gestanden. Mein Gewissen ist rein. Niemand will die Wahrheit als Wahrheit erkennen. Man feiert mich für meine Morde. Der Roman ist ein Bestseller, wie Sie wissen. So wie alle meine Romane. Ja, Dürrenmatt hat mich inspiriert. Doch ist sein Mörder nicht mein Vorbild. Schließlich hat auch er sich am Ende dumm und einfältig in die Falle locken lassen. Das wird bei mir niemandem gelingen. Sie wissen das, nicht wahr? Wir beide sind das Pendant zu den Protagonisten in seinem Buch. Erzfeinde. Ein sympathisches Wort. Doch tauschen wir die Rollen und nicht ich werde untergehen.
    Das Böse gewinnt. Es muss sein. Sie sterben und ich schenke Ihnen dafür die Unsterblichkeit! Doch Ihr Kapitel fehlt im Buch meiner Morde. Für Sie muss ich wohl ein Neues schreiben. Macht Sie das nicht auch ein bisschen stolz, Herr Kommissar?«
    Alexandra hielt den Atem an und beobachtete, wie Tobias Stockmann das Buch beiseite legte. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Die gespenstische Stille, die sie umgab, ließ Alexandra wohlig schaudern. Aus dem Halbdunkel blickte sie zu dem Mann auf, den ein Scheinwerfer in grelles Licht tauchte. Völlig gelassen ruhten seine Hände auf dem Stehpult. Seine linke Augenbraue zuckte leicht nach oben, als er einen Schritt zur Seite trat und sich verneigte.
    Alexandra hielt es nicht mehr auf dem Stuhl. Standing Ovations. Die meisten Zuhörer folgten ihrem Beispiel. Alle Sitzplätze neben und hinter ihr waren belegt, und auch die angrenzenden Gänge zwischen den Verlagsständen der Frankfurter Buchmesse wurden von einer dicht gedrängten Menschenmenge ausgefüllt. Es gab nirgends ein Durchkommen, was aber augenscheinlich niemanden störte. Alle hatten wie gebannt der Stimme dieses Mannes gelauscht.
    Der frenetische Applaus vertiefte das stolze Lächeln auf Tobias Stockmanns Gesicht.
    »Der ist genauso arrogant, wie der Mörder, über den er schreibt.« Mischa blieb demonstrativ neben Alexandra sitzen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Stimmt. Arrogant, aber brillant. Charismatisch.«
    Alexandra pfiff laut auf den Fingern. Das Publikum tobte. Tobias Stockmann nahm an einem Tisch auf der rechten Seite des Podiums Platz und griff nach dem bereitstehenden Mikrofon.
    »Danke. Ich danke Ihnen vielmals. Doch der Applaus gehört eigentlich Ihnen. Sie, meine Leser, sind es, die mich beflügeln und immer wieder aufs Neue zu meinen Morden anregen.«
    »Haben Sie wirklich all diese Morde begangen?«
    Alexandra rief die Frage quer über alle Köpfe hinweg, ohne zu überlegen.
    »Wer will das wissen?«
    »Ich!« Sie winkte mit beiden Armen. Jemand schaltete eine weitere Lampe ein und schwenkte den Lichtkegel, sodass sie plötzlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stand.
    »Und wer sind Sie, schöne Frau?« Ihre Knie wurden weich beim sanften Klang seiner Stimme. Der intensive Blick, den er ihr schenkte, machte es nicht besser.
    »Alexandra Müller, Polizistin der Stadt Frankfurt.«
    »Oh! Muss ich etwa mit meiner Verhaftung rechnen?«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Alexandra, dass Mischa ihr den Rücken zudrehte. Wahrscheinlich hätte er sich am liebsten unter dem Stuhl verkrochen. Jede Wette, dass die Boulevardpresse morgen über ihren Auftritt berichtete. Mit Foto. Die Blitzlichter zuckten.
    »Das kommt ganz darauf an, ob man Ihnen etwas nachweisen kann.«
    »Kann man nicht. Das garantiere ich Ihnen, Frau Kriminalkommissarin.«
    Sein Lächeln war hinreißend. Die blonden Haare etwas zu lang, sodass einige Haarsträhnen ihm immer wieder ins Gesicht fielen. Jungenhafter Charme, gepaart mit einer ausgesprochen männlichen Portion Selbstvertrauen und gigantischem Erfolg. Beinahe unwiderstehlich.
    »Herr Stockmann, stimmt es, dass Sie länger in Frankfurt bleiben? Werden Sie möglicherweise wieder in Ihre alte Heimat zurückkehren?«
    Die Frage eines Pressevertreters, kam vom anderen Ende des Forums und
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