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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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Dienstgruppenleiter im K11, vor ihm ein Berg Akten. Mordkommission, sagte er üblicherweise nur, wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte. Das verstand jeder. Die genauen Bezeichnungen hörten sich im normalen Leben einfach zu sperrig an. Oder nach Angeberei. Kriminalkommissariat Tötungsdelikte, Leichen- und Vermisstensachen.
    »Dienstlich oder privat?« Er hob nicht mal den Blick.
    »Privat.« Sofort legte er den Stift beiseite.
    »Ach, du bist es, Alexandra! Setz dich, was kann ich für dich tun?«
    Er faltete die speckigen Hände und lehnte sich zurück. Alexandra machte es sich in einem knarrenden Ledersessel bequem und deutete anklagend auf die halb geleerte Kaffeetasse, die zwischen den Papieren stand.
    »Also erstens lernt man auf unserer Dienststelle, dass volle Kaffeebecher nicht auf den Schreibtisch dürfen. Weißt du, was los ist, wenn der umkippt? Zweitens sieht die Tasse widerlich aus, mit dem eingetrockneten Rand, die muss mal wieder gespült werden, und drittens sollst du überhaupt keinen Kaffee mehr trinken, wegen deinem Herz und …«
    »Und du hältst nun den Schnabel! Ich freu mich, dich zu sehen, aber mein Herz und mein Schreibtisch sind mein Bier und jetzt komm zur Sache.«
    »Du hast viel zu tun?«
    »Alexandra, was gibt’s?«
    Sie verzog schmollend das Gesicht. Conrad Neumaier war ein Freund ihres Vaters. Gemeinsam waren sie im Streifendienst gewesen, ehe Neumaier zur Mordkommission wechselte. Sie selbst kannte ihn seit Kindertagen und legte großen Wert auf seine Meinung. Bei Schwierigkeiten suchte sie oft seinen Rat. Dass er seit geraumer Zeit Herztabletten schluckte, bereitete ihr ernsthaft Sorgen. Mit seinen zahlreichen Pfunden zu viel auf den Hüften, verschärfte sich das Problem. Außerdem sah er dadurch deutlich älter aus, trotz der vollen, dunkelblonden Haare. Aber dieses Thema wollte sie heute nicht vertiefen.
    »Spuck schon aus, was ist los?«
    Unruhig rutschte sie nach vorn auf die Sesselkante.
    »Ich habe ein Date.«
    »Gratuliere.«
    »Aber, das ist nicht so einfach.« Wie immer, wenn sie nicht weiter wusste, kaute sie auf ihrer Oberlippe.
    »Sag nicht, so eine Blind-Date-Internetgeschichte? Und jetzt hast du Schiss, dass der Typ ein Spinner ist?«
    »So tief bin ich noch nicht gesunken. Aber ich habe den Mann erst ein Mal gesehen.« Sie zögerte. »Und ich kenne seine Bücher.«
    Conrad Neumaier horchte auf.
    »Du meinst doch nicht etwa diesen selbstgefälligen, affektierten … mir fällt keine passende Beschimpfung mehr ein … diesen Stockmann? Dem du dein Erscheinen in der Presse verdankst?«
    * * *
     
    Er blieb wie immer ganz allein. Die anderen lachten über ihn, als sie sich am Mainufer auf den Bänken niederließen und die Sonne genossen, die um die Mittagszeit angenehm wärmte.
    Er suchte ein anderes Licht. Lieber verbrachte er die ganze Pause im Wagen, als mit denen zu reden. Die wussten nichts. Gar nichts. Er war anders. Ein Wissender.
    Einer rief dort draußen seinen Namen. Aber Namen bedeuteten nichts. Er hatte seinen Namen oft gewechselt. Jetzt benutzte er wieder den, unter dem Er ihn gekannte hatte. Er , der ihm den Weg zeigte. Mit Seinem Buch hatte Er ihm die Augen geöffnet. Eine neue Sicht der Welt. Die Botschaft, auf die er so viele Jahre gewartet hatte.
    Es interessierte ihn nicht, was andere von ihm dachten.

Mittwoch, 17. Oktober
     
    Draußen dämmerte es bereits. Alexandra nagte an ihrem Kugelschreiber und schaute vom Schreibtisch auf. Mischa saß ihr gegenüber, rieb sich mit der flachen Hand den Nacken und gähnte.
    »Ich hasse diesen Papierkram.« Er stand auf, reckte die Arme nach oben, dehnte die Muskeln und öffnete das Fenster.
    Hoffentlich brachte die Sauerstoffzufuhr auch ihren müden Kreislauf wieder in Schwung. Noch eine Stunde bis zum Feierabend und sie hatte es Mischa immer noch nicht erzählt. Es machte sie nervös. Leicht aggressiv. Sie dachte ernsthaft darüber nach, ihm das halbausgefüllte Formular zusammengeknüllt an den Kopf zu werfen. Sie konnte ihn sicher treffen, so wie er da stand, in voller Breite vor dem Fenster.
    »Du musst nicht darauf warten, dass ich das alleine fertig mache«, raunzte sie ihn an.
    In den frühen Morgenstunden waren sie zu einem handgreiflichen Streit zwischen zwei angetrunkenen Eheleuten gerufen worden. Alte Bekannte. Man traf sich öfter zu ähnlichen Anlässen. Möbelstücke flogen, Fäuste ebenso. Am Ende hatten die beiden Kontrahenten eine ordentliche Anzahl blauer Flecke, Schürfwunden und sogar
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