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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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alle zu Füßen liegen. So wie der dich angeguckt hat, verspeist er dich zum Nachtisch. Darum sage ich nur: Vorsicht. Machen kannst du, was du willst.«
    »Danke! Und was den Nachtisch betrifft …«
    »Will ich gar nicht wissen«, fiel Mischa ihr ins Wort.
    »Hey, wieso? Keine Lust auf pikante Details? Ich habe da mal ein Buch gelesen …«
    »Nicht schon wieder! Geh, mach was du willst, aber erspare mir den Rest!«
    * * *
     
    Er wartete. Es machte ihm nichts aus. Schon seit Tagen kam er regelmäßig zum Hotel, um Ihn zu sehen. Während der Buchmesse war es einfacher gewesen. Scharen von Menschen hatten die Lobby des Maritim bevölkert. Er war nicht aufgefallen, auch wenn er keine Business-Bekleidung trug. Eine Tragetasche mit Verlagslogo reichte, um ihn als Messebesucher auszuweisen. Der Page, der sich in seiner albernen Uniform mit den Koffern der Gäste herumquälte, kannte ihn inzwischen, begrüßte ihn ganz selbstverständlich, obwohl er nie Gepäck mitbrachte und daher von ihm auch kein Trinkgeld zu erwarten war.
    Viele Stunden hatte er auf den kleinen schwarzen Ledersesseln verbracht, die Rezeption, den Eingang und die Aufzüge fest im Blick. Vom Restaurant aus war es schwieriger, die Bewegungen des Meisters zu überwachen. Zweimal hatte er sich nah heran gewagt, als Er mit der Concierge sprach. Zimmer 652 im Superior Floor. Zu gerne wäre er Ihm dorthin gefolgt. Nur um auf dem Flur neben der Tür zu stehen und zu wissen, dass Er auf der anderen Seite war, schlief, atmete. Doch die Sicherheitsvorkehrungen des Hotels erlaubten ihm nur, das Foyer zu betreten. Alle anderen Bereiche waren den Gästen mit Schlüsselkarte vorbehalten. Aber er würde einen Weg finden, Ihm nah zu sein. Er konnte nicht zulassen, dass ein anderer den Platz an Seiner Seite einnahm, den er so sehr begehrte.
    * * *
     
    Frisch geduscht und eingehüllt in eine ungewohnte Wolke aus Parfüm, drehte Alexandra Runden vor ihrem geöffneten Kleiderschrank. Ein Date. Das erste seit Monaten. Ein Mann, von dem sie fast nichts wusste. Noch nie war sie mit einem völlig Fremden ausgegangen. Noch nie hatte sie vorher so lange darüber nachgedacht, welchen Eindruck sie machte.
    Zwischen ihren nackten Zehnen kribbelten die langen, weichen Teppichfasern. Unschlüssig zupfte sie hier und da ein Wäschestück heraus, hielt es an den Körper, begutachtete den Anblick und warf es dann mit mürrischem Grunzen aufs Bett. Aus dem Spiegel starrte ihr ein blasses, trotziges Gesicht entgegen. Dieser schmollende Ausdruck passte nicht zu ihrem Selbstverständnis. Dabei verfügte sie nicht über den klassischen Schmollmund, mit ausgeprägt roten, sinnlichen Lippen, die Männer in den Wahnsinn trieben. Nein. Beleidigt sah sie aus. Beleidigt und langweilig.
    Schminken! Wie ein Blitz durchfuhr sie der Gedanke, um sofort wie eine billige Sylvesterrakete vor ihren Augen zu verpuffen. Alexandra schminkt sich – ein Experiment, das sie periodisch wiederkehrend und erfolglos während der Pubertät betrieben hatte. Schmerzhafte Erinnerungen an Wimperntusche, tränende Augen und peinliche Malkünste in Lidschattengrün und Lippenstiftpink. Einzig ein uralter, brauner Kajalstift musste noch da sein. Sie schwankte. Überlegte. Schwankte. Dann sprintete sie ins Bad und durchwühlte die Schublade. Ihr triumphierendes Indianergeheul, als sie fündig wurde, brachte sie selbst zum Lachen. Kriegsbemalung. Männerjagd.
    Sie zog vorsichtig am unteren Lidrand und setzte den Stift an. Immerhin das konnte sie. Probehalber blinzelte sie ihrem Spiegelbild zu. Akzeptabel. Aber sie war noch immer nackt. Ihr blieben vierzig Minuten. Ratlos griff sie zum Telefon. Dann blätterte sie durch ihr Adressbuch.
    Silke? Nein. Zu viele Fragen. Dauerte zu lange.
    Mutter? Wird das was Festes, hast du Kondome eingepackt? Sind die auch noch nicht abgelaufen? Dein Verbrauch ist ja nicht besonders hoch.
    Nein. Nicht Mutter.
    Eine halbe Stunde noch. Klarer Fall von Verdrängung. Üblicherweise stülpte sie im Gehen einen bequemen Pullover über, dazu die älteste Jeans und das war es dann.
    What you see is what you get. So bin ich eben.
    Sie zog die Oberlippe zwischen die Zähne, kaute darauf herum und seufzte. Mischa konnte sie diesmal nicht anrufen.
    Drei Minuten vor Abfahrt der U-Bahn nahm sie die Abkürzung durch den Garten, rannte quer über den Spielplatz, kreuzte die Straße bis zur Mitte und gelangte zwischen den Fahrbahnen zur U-Bahnhaltestelle. Der Zug fuhr gerade ein. Punktlandung. Mit
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