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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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ein Messer schien im Spiel gewesen zu sein. Nachdem die Nachbarn die Polizei alarmiert hatten, stritten sie einvernehmlich ab, irgendwelche Probleme gehabt zu haben. Wie der Fernseher in den Vorgarten gekommen war und dass sie angeblich zu laut gewesen sein sollten, konnten sie sich nicht erklären. Unter Heulen und wüsten Beschimpfungen machten sie ihre phantasievollen Aussagen und ließen die obligatorische Blutprobe auf dem Revier nur unter Protest über sich ergehen. Jetzt mussten alle Details akribisch aufgelistet und systematisch in Protokollen und Vordrucken festgehalten werden.
    Alexandra entschied sich für den Kugelschreiber als Wurfgeschoss, um die halbfertige Schreibarbeit nicht wieder von vorn anfangen zu müssen. Sie traf Mischa genau zwischen die Schulterblätter.
    »Hey, Faulpelz! Los jetzt. Weißt du, in dem Buch, das ich gerade lese …«
    »Verschone mich mit deinen Bücherweisheiten!«
    »Aber es ist echt spannend!«
    Mischa hockte sich auf den Rollenstuhl, drehte sich einmal im Kreis und streckte dann die Beine weit von sich.
    »Ich will es trotzdem nicht hören. Du hast mir schon die ganze Nacht aus diesem Buch erzählt. Lass uns einfach unsere Arbeit machen.«
    »Du hast keine Ahnung, was dir alles entgeht, du notorischer Nichtleser!«
    »Kann sein. Aber ich habe ja dich, du wandelndes Hörbuch.« Er warf den Kugelschreiber zurück und Alexandra streckte ihm die Zunge raus. »Außerdem weiß ich, was du verpasst. Das Leben. Das findet nämlich nicht auf deinem Sofa unter der Lesedecke statt. Sondern draußen in der Welt, zwischen echten Menschen.«
    Jetzt machte er sie richtig wütend.
    »Und das weißt ausgerechnet du so ganz genau? Warst du schon mal auf meinem Sofa, unter meiner Lesedecke? Die Welt und die Menschen sehe ich den ganzen Tag. Das reicht. Davon abgesehen, wann warst du zuletzt richtig aus? Und damit meine ich nicht mit mir. Das zählt nicht. Seit einem Jahr verkriechst du dich unter Neumaiers Küchentisch.«
    Einen Moment lang schaute er sie nachdenklich an, dann nickte er langsam.
    »Dass auf deinem Sofa kein Platz für mich ist, habe ich nicht vergessen. Keine Angst.«
    »So habe ich das doch nicht gemeint!« Zerknirscht biss sie sich auf die Lippen. »Tut mir leid!«
    Mischa hob abwehrend die Hand.
    »Kein Problem für mich. Du hast davon angefangen. Die Geschichte ist Ewigkeiten her. Aber das andere …«
    »Entschuldige, ich bin eine echt blöde Kuh. Mann, du weißt doch, wie ich bin! Meine Klappe ist halt manchmal schneller als mein Verstand. Du hast mich geärgert. Aber du hast natürlich vollkommen recht, wenn du dir Zeit lässt. Und mich geht das nicht das Geringste an.«
    Mit der Hand machte er ihr Zeichen, sie solle mit dem Quaken aufhören.
    »Zerbrich dir nicht meinen Kopf, ja? Im Gegensatz zu dir treibe ich regelmäßig Sport. Und dabei bin ich durchaus mit anderen Menschen zusammen.«
    »Polizisten, Mischa. Kollegen, keine normalen Menschen.«
    »Du könntest ruhig mal wieder mitkommen, dann kann ich dich auf die Matte legen.«
    »Ich lasse mich nicht gern aufs Kreuz legen, auch nicht von dir. Außerdem gehe ich zum Schießtraining.«
    Er lachte leise und rollte mit dem Stuhl zurück an den Schreibtisch. »Oh ja, ich weiß. Beim Schießen entwickelst du fast so viel Ehrgeiz wie beim Hochleistungssofahocken.«
    »Zu deiner Beruhigung, was das betrifft, ich werde nicht auf meinem Sofa verrotten. Morgen Abend gehe ich aus.«
    »Allein?«
    »Quatsch, dann wäre es ja keiner Erwähnung wert. Du errätst nie, mit wem.« Ihr Herz klopfte ungehörig laut.
    »Mit deinem Journalistenfreund oder mit Silke oder mit dem Kollegen Hoffmann aus der Verwaltung, der die Hosen bis unter die verschwitzten Achseln hochzieht?«
    »Äh, igitt! Ich sag doch, du kommst nicht drauf!«
    Mischa hob die Schultern, dann beugte er sich zu ihr herüber und schnappte sich eines der unfertigen Formulare.
    »Na los, raus damit, bevor du dran erstickst.«
    »Mit Tobias Stockmann!« Triumphierend erwartete sie seine Reaktion.
    »Dem arrogantesten Mörder von allen?« Er schien nur mäßig beeindruckt.
    »Der Mann ist Schriftsteller. Ein guter und erfolgreicher. Er hat mich zum Essen eingeladen.«
    »Vorsicht bei dem Typ.«
    »Wieso? Der schreibt doch nur über Mörder. Keiner sagt, dass er einer ist.«
    »Doch. Er selbst. Er spielt mit dem Mörderimage. Finde ich unsympathisch.«
    »Alles nur Show.«
    Mischa verzog das Gesicht. »Wenn du meinst. Mir ist er zu eingebildet. Der erwartet, dass ihm
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