Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
Vom Netzwerk:
sprechen war. Sie unterstellten sich zuweilen gegenseitig Standesdünkel, auch wenn sie das offiziell vehement abstritten. Von Mischa war nur eine Schulter auf dem Foto zu sehen. Er hatte sich schnell genug zur Seite weggedreht. Feigling.
    »Auf geht’s, ab zum Morgenappell.« Fred klopfte auffordernd neben ihr auf den Schreibtisch.
    »Sekunde noch. Erst muss ich den Artikel zu Ende lesen.«
    »Obacht, Alexandra, Zuspätkommen geht gar nicht und in Kombination mit dem Foto ist das gewagt.«
    »Ist Mischa schon da?«
    »Sicher. Kennst ihn doch. Immer der Erste an der Kaffeemaschine.«
    Die Zeitung in der Hand, folgte sie den anderen und las im Gehen weiter.
    Die kleine Revierküche, in der sie sich zweimal täglich zum Schichtwechsel zusammenrotteten, war bereits gut gefüllt, als Alexandra eintrat. Auf die Pfiffe und Bemerkungen, die sie erneut zu hören bekam, antwortete sie mit selbstgefälligem Lächeln und Siegerpose.
    »Nur kein Neid!«
    Direkt hinter ihr erschien der Dienstgruppenleiter in der Tür und verneigte sich demonstrativ.
    »Na seht mal an, der neue Superstar gibt uns die Ehre! Was tust du beim einfachen Fußvolk, Frau Kriminalkommissarin?«
    »Morgen Chef. Ich habe nie gesagt, ich sei bei der Mordkommission. Habe nur gesagt, ich bin Polizistin! Das mit der Kriminalkommissarin war der Stockmann. Mischa kann’s bezeugen. Er war dabei!«
    »Stimmt. Beides«, verkündete dieser gewohnt einsilbig.
    »Mach das nicht zur Gewohnheit, Alexandra. Polizeidienst ist eine seriöse Sache«, im Hintergrund hörte man unterdrücktes Lachen, »und der sind wir verpflichtet. Schadet dem Image, wenn in der Zeitung Bilder von vorlauten Beamten abgedruckt werden.«
    »Jawohl Chef, wobei ich noch zu bedenken geben möchte, dass es in diesem Fall immerhin nicht unserem, sondern dem Image der Kriminalpolizei schadet.«
    Das Lachen wurde lauter. Eindeutig Fred. Ralf Steinbrück schüttelte den Kopf.
    »Kindergarten«, murmelte er. »Genug davon. Zur Sache jetzt. Die Nachtschicht hat folgende Besonderheiten festgehalten …«
    * * *
     
    Rote Rosen. Alexandra konnte es immer noch nicht glauben. Umständlich legte sie den Strauß beiseite, fingerte den Schlüssel aus der Jackentasche und öffnete die Wohnungstür.
    Rote Rosen. Schon zum zweiten Mal.
    Sie warf die Tasche auf die Ablage unter der Garderobe und blieb dann grübelnd mitten im Zimmer stehen. Eine zweite Blumenvase musste sie nicht erst suchen. Es gab nur eine in ihrem Haushalt. Diese verstaubte einundfünfzig Wochen im Jahr in einer Ecke. Maximal eine Woche lang überlebte der Blumenstrauß, den ihre Mutter ihr zum Geburtstag mitbrachte. Das war es dann. Und jetzt zwei Riesensträuße innerhalb von zwölf Stunden. Um die Kommentare der lieben Kollegen zu stoppen, hatte sie den Streifenwagen höchstpersönlich zweckentfremdet, zum privaten Blumenabtransport. Aus den Augen, aus dem Sinn. Mischa hatte getobt. Da nutzte es auch nichts, dass sie ohne Blaulicht fuhr. Aber sie hätte die beiden monströsen Gebinde unmöglich mit der U-Bahn befördern können.
    Entschlossen schleppte sie die dunkelrote Pracht ins Bad und füllte den Putzeimer mit frischem Wasser. Nicht sehr elegant, aber besser, als sie vertrocknen zu lassen. Dann wuchtete sie das Ensemble hinüber ins Wohnzimmer und rückte es so neben dem niedrigen Tisch mit der Vase zurecht, dass der neongrüne Eimer fast nicht mehr zu sehen war.
    Im Schlafzimmer zog sie die Schuhe aus, warf die zerknüllten Socken im hohen Bogen in den Wäschekorb und hängte die Uniform zum Lüften ans Fenster. Nach zwölf Stunden Dienst legte sogar sie diese gerne ab. Auch wenn sie sie mehr liebte als jedes andere Kleidungsstück. Silke behauptete immer, sie sei ein Uniformfetischist. Krankhaft darauf geprägt seit frühster Jugend. So ganz konnte sie diesen Verdacht nicht entkräften. Ihr war längst klar, dass sie die Uniform auch deshalb so sehr liebte, weil sie ihr Sicherheit gab. Die Sicherheit, anerkannt zu werden, die Sicherheit richtig angezogen zu sein und nicht an weiblichen Attributen gemessen zu werden. Sie war kein zartes Weibchen. Weder innerlich noch äußerlich. Eher robust in jeder Beziehung. Das machte das Leben mit Männern nicht immer leicht. Und ihr Selbstbewusstsein hängte sie regelmäßig mit der Wäsche in den Schrank.
    Wie sie es geschafft hatte, bei der Lesung plötzlich über sich hinauszuwachsen und quer durch den Saal zu rufen, war ihr ein Rätsel. Klar, unter Freunden kannte man ihr loses Mundwerk,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher