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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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übertrieben überlegenen Gehabe. Tobias. Nie wieder konnte sie diesen Namen sagen, ohne an ihn zu denken. Nie wieder wollte sie so an ihn denken. Er durfte in ihren Gedanken nicht mehr Tobias sein. Sie holte tief Luft und schaute ihren Bruder an.
    »Es war wahrscheinlich eher so, dass Stockmann übermütig wurde, weil er nicht erwischt worden ist. Sein Plan ging auf, die geklauten Ideen vermarkteten sich gut. Je perverser die Morde in seinen Büchern wurden, desto größer wurde sein Ruhm. Mit dem neusten Roman wollte er alles übertreffen. Darum die Mörder-Perspektive als letztmögliche Steigerung und ultimativer Kick; und um die Glaubwürdigkeit seines Mörderbekenntnisses zu erhöhen, die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, nach Frankfurt.«
    In einen erdverkrusteten Overall gehüllt, näherte sich der leitende Gerichtsmediziner.
    »Sie hatten einen guten Riecher, Kollegin Müller, was die Lage der Leiche betrifft!«
    »Und die Todesursache?« Sie hielt den Atem an.
    »Es ist zu früh, um es definitiv sagen zu können.«
    »Ich weiß, nur eine Prognose, bitte!«
    »Beim Tod durch Ersticken sind die Hände auf charakteristische Weise verkrümmt. Dieses Detail fehlt hier. Keine schöne Sache, Erde einzuatmen und dabei um sein Leben zu graben. So ist es hier offenbar aber nicht gewesen. Von Glück zu sprechen, wäre angesichts eines gewaltsamen Todes dennoch befremdlich.«
    »Ihre Vermutung?«
    »Nach der Lage des Skeletts, der speziellen Anordnung …«, er schüttelte den Kopf. »Auf den ersten Blick keine Gewalteinwirkung auf den Schädel erkennbar«, erklärte er dann knapp. »Keine weiteren Spuren, die direkte Rückschlüsse zulassen. Durchaus auch möglich, dass der Tod ein Unfall war. Ein Sturz zum Beispiel. Genickbruch? Schwer feststellbar. Mit Sicherheit lässt sich das erst nach einer umfassenden Untersuchung im Gerichtsmedizinischen Institut sagen.«
    »Ein Betäubungsmittel und ein Schlag auf den Nacken?«
    »Noch nicht auszuschließen. Ob noch die Möglichkeit besteht, den Einsatz eines Narkotikums oder etwas Ähnliches nachzuweisen, kann ich Ihnen nicht versprechen.« Er pustete einige Erdkrümel von dem Knochenstück in seiner Hand.
    »Danke.«
    Der Gerichtsmediziner klopfte Alexandra auf die Schulter, ehe er sich umdrehte, um das Puzzleteil in einer Tüte zu verpacken. Sie schaute ihm nach, als er zurück zur Fundstelle trottete.
    »Ein Unfall«, wiederholte sie ungläubig. »Dann hätte er nur die Leiche verschwinden lassen.«
    »Vielleicht weil er sich nicht so sicher war, dass man es vor Gericht als Unfall einstufen würde. Es ist nicht mehr wichtig. Lass uns verschwinden, Alexandra. Wir frieren uns hier umsonst den Arsch ab.« Jens zog sie in Richtung Gartentor. Es roch nach Schnee.
    »Doch, es ist wichtig. Für mich.«
    Auf der Treppe des Hauses stand ein verstörtes Ehepaar, das mit ansehen musste, wie man aus ihrem Garten eine verrottete Leiche barg.
    »Sie werden sich hier nie wieder wohl fühlen.«
    Jens beobachtete sie aus den Augenwinkeln. »Da kann man nichts machen. Irgendwann wird die Geschichte vergessen sein. Auch für dich. Steig ein.«
    Alexandra rutschte fröstelnd auf den Beifahrersitz.
    »Manche Geschichten sind nie zu Ende, Jens. Und man kann sie auch nicht vergessen. Ich frage mich, ob Markus’ Leben jemals wieder einigermaßen normal sein wird.«
    Betreten schwiegen sie eine Weile. Draußen flog die Landschaft vorbei. Dicke Krähen kreisten über Brachflächen und umgepflügten Äckern. Aufgerissener Boden, in große, leblose Schollen gebrochen. Grau, braun und trostlos. Daran änderten auch die weißen puderigen Flocken nichts, die die Anhöhen links und rechts der Straße mit einer weichen Schicht überzogen. Wind beutelte die kahlen Büsche und schließlich setzte der erwartete Schneeregen ein.
    »Du siehst fertig aus. Wir sind noch ein paar Stunden unterwegs. Am besten schläfst du einfach so lange.«
    »Ich habe seit Tagen nicht geschlafen.«
    Seit es passiert war. Man sah es ihr deutlich an, tiefe dunkle Ringe zeichneten ihr Gesicht. Die grünen Augen hatten jeden Glanz verloren, keine Spur von ihrem früheren Übermut.
    »Ich bringe dich nach Hause, Schwesterchen.«
    Sie lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze, schloss die Augen. Nach Hause. Auf dem Geländer neben der Weinrebe torkelte Tobias.
    »Nein!« Sie riss die Augen wieder auf. »Bring mich wieder zu Ozzy.« Bei ihm hatte sie auch die letzten Tage verbracht.
    »Du kannst natürlich auch mit zu mir kommen, wenn
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