Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
Friedrichs hier auf ihn gewartet – in Gegenwart dieser Frau?
    Fragend sah er die Kommissarin an.
    «Madame Beatrice ist die Geschäftsführerin hier. Sie gibt an, dass der Getötete sich nicht mit einer ihrer Mitarbeiterinnen hier aufgehalten hat.»
    Albrechts Augenbraue bewegte sich eine Winzigkeit in die Höhe. «Nicht? – Ist es üblich, Madame, dass die Gäste Ihres Etablissements sich ihre Gesellschaft selbst mitbringen?»
    «Ich weiß nicht, wofür Sie das
Fleurs du Mal
halten, Herr Hauptkommissar.» Madame löste sich von der Wand. «Dieses Haus ist weder ein Bordell noch ein Stundenhotel. Wir sind ein exklusiver Club, und unser Angebot umfasst ein Ambiente, das in dieser Stadt einzigartig sein dürfte.»
    Stumm betrachtete Albrecht die Reitpeitsche, die zwischen zwei Rokokogemälden an der Wand hing. Eine Spielwiese für den exquisiteren Geschmack also – Bordell und Stundenhotel zugleich. Und ein gewisses Extra.
    «Der Tote …»
    «War zum ersten Mal hier.» Kein Zittern in der Stimme der Geschäftsführerin. «Jacqueline hat die beiden eingelassen. Beide zum ersten Mal.»
    Jacqueline … Albrecht korrigierte das Niveau der Exklusivität ein Stück nach unten.
    «Und wer hat sie wieder rausgelassen?», erkundigte er sich. «Die Begleiterin? Es war doch eine Frau?»
    «Unser oberstes Gebot lautet Diskretion.»
    «Und unser oberstes Gebot lautet, Straftaten aufzuklären.» Er ließ sie nicht aus den Augen. «
Intentio vera nostra est manifestare ea, quae sunt, sicut sunt.
 – Ich darf das für Sie übersetzen? Unsere Absicht besteht darin, die Tatbestände so darzustellen, wie sie sich in Wahrheit verhalten. Ein quälender und schrecklich langwieriger Prozess.»
    «Kann Wochen dauern», bestätigte Friedrichs.
    «Monate», seufzte Albrecht. «Ich würde es bedauern, wenn Sie so lange schließen müssten.» Plötzlich, die Stimme eine Winzigkeit gehoben: «Mann oder Frau?»
    Zwei Sekunden hielt Madame seinem Blick stand.
    «Eine Frau», sagte sie schließlich. «Jünger als er. Niemand vom Gewerbe und wohl auch keine Freischaffende. Jacqueline hat die Namen natürlich notiert …» Ihr Tonfall machte deutlich, wie gering sie die Wahrscheinlichkeit einschätzte, dass es sich um die echten Namen handelte.
    Albrecht hob fragend die Augenbrauen.
    «Hester Prynne», erklärte die Geschäftsführerin. «Und Arthur Dimmesdale.»
    «Die Hauptfiguren aus
Der scharlachrote Buchstabe
», murmelte der Hauptkommissar.
    «Im Laufe der Zeit hatten wir schon ein halbes Dutzend unterschiedliche Hesters hier zu Gast.» Madame nickte. «Aber vielleicht kann Jacqueline Ihnen …»
    «Mit Sicherheit wird Jacqueline das tun», unterbrach er sie verbindlich. «Bei Ihnen melden wir uns, wenn wir an Sie noch Fragen haben.»
    Sein Instinkt sagte ihm, dass die Frau nichts mit dem Vorfall zu tun hatte, und heute Nacht war ihm weder nach Höflichkeit noch nach Spielereien.
    Er entließ sie mit einer wortlosen Geste.
    Madame Beatrice gehorchte auf der Stelle. Sie wusste sehr genau, wer von ihnen am längeren Hebel saß.
    ***
    «Gut gemacht», murmelte Albrecht, als sich die Tür zum Treppenhaus hinter der Chefin des
Fleurs du Mal
geschlossen hatte. «Das war eine große Hilfe.»
    Friedrichs hob die Schultern. «Ich habe kaum etwas gesagt.»
    Er nickte stumm.
    Wenn die Mitarbeiter seine Eigenheiten akzeptierten, war ihm schon mehr als geholfen.
    Ein Toter. Die Leiche war männlich, und offenbar war von Fremdverschulden auszugehen – sonst hätte die Kommissarin ihn kaum angerufen. Über alles andere hatte Friedrichs geschwiegen und gab ihm damit die Möglichkeit, ohne Vorwissen an den Fall heranzugehen.
    Ohne Vorwissen.
    Doch nicht ohne Vorahnung.
    Hannah Friedrichs hatte ein Pokerface aufgesetzt, aber schon am Telefon hatte Jörg Albrecht den Ton in ihrer Stimme gehört. Und während des Gesprächs mit Madame hatte er beobachtet, wie sie ihren Blick nur mit Mühe von der angelehnten Tür hatte lösen können, hinter der sich die Spurensicherung mit der Leiche beschäftigte.
    Da gab es etwas, wovon er noch nichts wusste. Etwas, das Friedrichs nervös machte. Mehr als das vielleicht. Schmal sah sie aus. Zäh und sehnig wie immer, durchaus hübsch auf ihre Weise, doch er registrierte auch ihre Blässe. Die vierte oder fünfte Nachtschicht hintereinander – war das der einzige Grund?
    Albrecht nickte ihr noch einmal zu, dann klopfte er und schob die Tür zu dem Zimmer auf, in dem die Tat begangen worden war.
    Und begriff, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher