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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
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sobald die Spuren gesichert sind und mein Vorgesetzter sich einen Überblick verschafft hat. Ich bin mir sicher, dass auch Ihre Gäste dafür Verständnis haben.»
    In meinem Hinterkopf meldete sich ein kleines Teufelchen: Vielleicht war die Kundschaft des
Fleurs du Mal
ja pervers genug, dass sie einen echten Mord richtig zu schätzen wusste? Mit ordentlich viel Blut anstatt ein bisschen Aua-aua mit der Lederpeitsche.
    Ich drängte den Gedanken beiseite. Ich war nicht ganz bei mir, seitdem ich hinter die Tür geschaut hatte, die jetzt verschlossen war.
    Und ich mochte mir nicht vorstellen, wie Albrecht reagieren würde, wenn er sie öffnete.
    ***
    Der Regen hatte sich in ein Nieseln verwandelt, das, falls überhaupt möglich, noch eine Spur widerlicher war. Vielleicht war es auch Nebel, der von der Außenalster zwischen die Häuser trieb und auf dem Asphalt einen Film aus schmieriger Nässe bildete.
    Jörg Albrecht begegnete keinem Menschen, während er mit raschen Schritten in Richtung Reeperbahn ging.
    Er erinnerte sich, wie er sich vorgestellt hatte, dass er den Weg zum Revier zu Fuß nehmen konnte, wenn er sich für die Wohnanlage in Altona entschied. Dass er unterwegs Abstand gewinnen, eine Mauer errichten konnte zwischen den beiden Feldern seines Lebens: der Leiter der Dienststelle auf der einen Seite, und auf der anderen …
    Auf der anderen Seite gab es nichts mehr. Selbst die Zimmerpflanzen hatte er Joanna und ihrem Dentisten überlassen. Er hatte sie nicht zum Tode verurteilen wollen.
    Er schüttelte sich, kurz aber heftig.
    Im nächsten Moment waren die Grübeleien verschwunden. Er war Ermittler im Dienst, und die Vergangenheit war so tot wie die Straßen von Altona in dieser Nacht.
    Erst hinter der Friedenskirche änderte sich das Bild.
    Hier waren Menschen unterwegs. Nachtschwärmer, deren Geschäfte ihn heute nicht interessierten. Keiner kam ihm nahe. Albrecht hatte früher oft gerätselt, ob es eine bestimmte Art zu gehen war, aus der man ihn schon aus fünfzig Schritt Entfernung als Kriminalbeamten identifizieren konnte. Manchmal konnte das ganz hilfreich sein, verdammt selten allerdings.
    Es war, wie Friedrichs versprochen hatte. Als er in die Bernhard-Nocht-Straße einbog, sah er das Blaulicht des Einsatzfahrzeugs. Irgendwo in der Nähe zerriss die Sirene eines Krankenwagens die Nacht. Unwahrscheinlich, dass sie mit dem Fall zu tun hatte – die Hafenambulanz befand sich nur einen Steinwurf entfernt.
    Albrecht wurde langsamer, während er sich dem Tatort näherte, und nahm sich ein paar Sekunden, um das Bild auf sich wirken zu lassen. Immer wieder hatte er erlebt, wie wichtig dieser erste Eindruck war: vom Schauplatz des Verbrechens selbst, aber auch von der Umgebung. Das Bild mit den Augen eines Menschen wahrzunehmen, der vielleicht zum ersten Mal hier war, in den Straßen abseits der Reeperbahn, wo sich Dunkelheit und schreiend bunte Leuchtreklamen zu einem unerfüllbaren Versprechen auf Erlösung mischten.
    Die abweisenden Häuserfassaden waren übersät mit Graffiti. Bauten aus der Gründerzeit und neue, hässlichere Gebäude. Ein Trupp dunkelhäutiger Männer drängte sich vor dem Eingang eines billigen Hotels und unterhielt sich in einer unbekannten Sprache. Eine Frau in hohen Stiefeln passierte die Gruppe – ihr Blick ging durch Albrecht hindurch, als wäre er Luft.
    Der Peterwagen war jetzt noch zwei Häuser entfernt. Keine Spur von Gaffern, die sich in einer zivilisierteren Gegend am Schauplatz eines Verbrechens eingefunden hätten, ganz gleich zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Falls sich das Niveau einer Zivilisation an der Anwesenheit von Gaffern messen ließ.
    Über dem Eingang des Etablissements leuchtete in düster rotem Neon der Schriftzug
Les Fleurs du Mal
. Ein greller Kontrast zum Blaulicht des Polizeifahrzeugs.
    Ein einzelner uniformierter Beamter lehnte kaugummikauend am Heck des Einsatzwagens, die Augen auf den Eingang des Clubs gerichtet. Albrecht war auf ein halbes Dutzend Schritte an ihn herangetreten, als sein Blick sich hob.
    «Halt! Sie können hier nicht …» Im selben Moment erkannte der Mann seinen Vorgesetzten. «Sie sind alle schon drin», sagte er eilig und tastete über seine Uniform nach Handy oder Funkgerät. «Ich kann Sie …»
    «Wenn sie alle schon drin sind», unterbrach ihn Albrecht, «dürfte das Innere des Objekts ja ausreichend gesichert sein. Und Sie behalten die Straße im Auge?»
    Urplötzlich musste sich eine Reflexion des Rotlichts auf das
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