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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
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Gesicht des Mannes verirrt haben. «Ich … Natürlich.»
    Albrecht sah, wie sich sein Adamsapfel bewegte, doch nur für einen Moment, bevor der Beamte sich eilig umdrehte, um angestrengt die Straße hinabzuspähen.
    Kopfschüttelnd wandte sich der Hauptkommissar dem Eingang zu. «Danke für die Hilfe», murmelte er. «Ich finde den Weg.»
    Albrecht folgte einem persönlichen Ritual: Er wollte das gesamte Bild sehen, alle möglichen Wege. Nicht allein denjenigen, auf dem ihn die Beamten schnurstracks zum Schauplatz des Verbrechens führen würden, der erst im Augenblick der Tat zum Schauplatz geworden war. Der Weg dorthin sagte ebenso viel über das Geschehen aus wie der Tatort selbst.
    Die Tür öffnete sich ohne Laut. Ein menschenleerer Empfangsraum voller plüschiger Sitzgelegenheiten lag vor ihm. Albrecht durchquerte ihn mit langsamen Schritten, angezogen von einem dramatischen Treppenaufgang, den ein Geländer aus Marmor und Messing flankierte. Die Stufen waren mit dunklem Samt bezogen. Elektrische Kandelaber sorgten für eine schummerige Beleuchtung, an den Wänden Kunstdrucke mit lasziven Motiven der viktorianischen Epoche. Die üblichen Kunstgriffe. Das Einzige, was fehlte, waren die Menschen, war die Geräuschkulisse.
    Doch Albrecht ging davon aus, dass das
Fleurs du Mal
auch das synthetisch liefern konnte: Laute der Lust vom Tonband, unterlegt mit Streicherklängen.
    Hurenhäuser dieser Preisklasse waren ein Freizeitpark für Erwachsene, und wie in jedem Freizeitpark spielten die Requisiten eine besondere Rolle. Dieses Haus wollte offenbar in der obersten Liga mitspielen. Jedenfalls hatten sie die Zutaten nicht dem Zufall überlassen.
    Les Fleurs du Mal.
Die Blumen des Bösen. – Albrecht war im Begriff, den Fuß auf die Treppe zu setzen, da kam wie ein Blitz die Erinnerung.
    «Verdammt!» Seine Stimme war ein lautloses Zischen.
    Doch im selben Moment …
     kann und wird mein Vorgesetzter entscheiden, nachdem Sie seine Fragen beantwortet haben.»
    Hannah Friedrichs’ Stimme. Auf der oberen Etage fiel ein Lichtschimmer aus einer halb geöffneten Tür. Albrecht schüttelte sich.
    Jetzt war die Erinnerung da, jedes Detail an seinem Platz, doch was auch immer diese Vorgänge bedeuten mochten für das, was heute Abend hier geschehen war … Ob es einen Zusammenhang gab …
    Verschaff dir einen Einblick, dachte er.
    Dann kannst du die Verbindungslinien ziehen.
    Wenn sie existieren.
    Er fing ein letztes Mal die Atmosphäre ein. Schweres Parfüm, der dunkle Duft wilder Träume – und etwas anderes, ein klinischer Geruch, den er automatisch mit polizeilicher Ermittlungsarbeit in Verbindung brachte. Das jähe Erwachen aus dem Traum in die Wirklichkeit.
    Auf dem oberen Treppenabsatz angekommen, klopfte er mit dem Handrücken leicht gegen die Tür und schob sie in derselben Bewegung auf.
    Hannah Friedrichs hatte ihre dunklen Haare zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden, der bis auf ihre Wetterjacke fiel. Sie trug ihre randlose Brille, also hatte sie sich bereits Notizen gemacht.
    Die andere Frau mochte auf den ersten Blick etwa in Friedrichs’ Alter sein. Ein Übermaß an Mascara und ihre Kostümierung im Kurtisanenchic des neunzehnten Jahrhunderts machte die Einordnung schwierig.
    «Hauptkommissar.» Die Kommissarin nickte ihrem Vorgesetzten zu.
    Die fremde Dame drehte den Kopf kurz in seine Richtung, lange genug für eine erste Einschätzung, dann ließ sie sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken.
    Eine Geste der Erleichterung? Oder wollte sie genau das vermitteln? Albrecht schob beide Möglichkeiten auf Wiedervorlage.
    Er warf einen knappen Blick durch den Raum. Von der Leiche keine Spur. Sie befanden sich in einer Art Vorzimmer, das einem Pariser Boudoir alle Ehre gemacht hätte. Durch eine weitere, angelehnte Tür drangen leise Stimmen. Die Spurensicherung war bereits vor Ort.
    «Wir haben die Personalien sämtlicher im Haus anwesender Personen aufgenommen.» Friedrichs hob einen Spiralblock. «Einer der Kunden konnte sich nicht ausweisen. Lehmann hat ihn zur Wache begleitet. Die Mädchen …»
    «Jede einzelne meiner Mitarbeiterinnen ist in Deutschland gemeldet.» Die Fremde unterbrach sie leise, aber bestimmt.
    «Natürlich.» Albrecht nickte ihr zu, ließ die Augen einen Moment länger auf ihr ruhen, als es höflich gewesen wäre, und korrigierte ihr Alter um zehn Jahre nach oben, bevor er den Blick zur Tür wandern ließ.
    Der Tote. Auf der anderen Seite der Tür lag der Tote. Warum hatte
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