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Papillon

Papillon

Titel: Papillon
Autoren: Henri Charrière
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Wie dieses Buch zustande kam
Vorwort von Jean-Pierre Castelnau
    Das »Papillon«-Manuskript besteht aus dreizehn Schulheften, jede Seite eng beschrieben. Ihr Herausgeber, der französische Schriftsteller und Historiker Jean-Pierre Castelnau, in Sachen Sträflingsmemoiren beinahe Experte, hat den Blättern auf ihrem Weg in die Welt einen Geleitbrief mitgegeben. Hier ist er.
    »Dieses Buch wäre ohne Zweifel nie entstanden, hätte nicht im Juli 1967, ein Jahr nach dem Erdbeben, das die Stadt Caracas zerstörte, ein junger Mann von sechzig Jahren in den dortigen Zeitungen von Albertine Sarrazin gelesen. Sie war soeben gestorben, dieses von Witz, Fröhlichkeit und Mut trunkene Juwel. Sie war weltberühmt geworden mit drei Büchern, die sie in etwas weniger als einem Jahr veröffentlichte und von denen zwei ihre Gefängnisse und ihre Ausbrüche von dort schildern.
    Der junge Mann hieß Henri Charrière und kam von weit, aus dem Bagno, genau: aus Cayenne, wohin man ihn 1933 verschickt hatte; ein Vagabund, gewiß, aber zu Lebenslänglich verurteilt, also bis zum Tod, für einen Mord, der ihm nicht anzulasten war. Henri Charrière, im ›Milieu‹ von einst Papillon genannt, Jahrgang 1906, gebürtiger Franzose aus einer Lehrerfamilie aus dem Departement Ardeche, ist venezolanischer Staatsbürger. Und zwar weil dieses Volk seinen Blick und sein Wort höhergestellt hat als den Auszug aus seinem Strafregister; dreizehn Jahre voll hartnäckig wiederholter Ausbrüche und Kämpfe, um der Hölle des Straflagers zu entrinnen, stellten ihn mehr in das Licht der Zukunft als in den Schatten der Vergangenheit.
    Im Juli 1967 also ging Charrière in die französische Buchhandlung von Caracas und kaufte dort ein Exemplar von Albertine Sarrazins Roman ›Der Astragal‹. Auf der Buchschleife stand: ›123. Tausend.‹
    Charrière las das Buch und sagte schlicht: ›Sehr schön. Aber wenn die gehetzte Göre da, die mit ihrer zerbrochenen Ferse von einem Mauseloch ins andere geschlüpft ist, hundertdreiundzwanzigtausend Bücher verkauft hat, dann werd ich mit dem, was ich alles in dreißig Jahren erlebt habe, dreimal mehr an den Mann bringen.‹
    Eine durchaus logische Überlegung. Aber auch gefährlich, weil seit dem Erfolg der Sarrazin die Schreibtische der Verleger mit Dutzenden hoffnungslosen Manuskripten dieses Genres überschwemmt sind.
    Denn spannende Abenteuer, ergreifendes Mißgeschick und schreiendes Unrecht machen noch lange kein gutes Buch aus. Man muß das alles ja erst zu Papier bringen, also jene höchst willkürlich zugeteilte Begabung entwickeln, der das Kunststück gelingt, daß der Leser alles, was der Schreiber gesehen, empfunden und erlebt hat, in seinem Inneren genauso sieht, empfindet und erlebt, als wäre er selbst dabeigewesen.
    Und hier hat Charrière eine große Chance. Kein einziges Mal hat er daran gedacht, auch nur eine Zeile über seine Abenteuer niederzuschreiben: er ist der typische Mann der Tat, des Lebens, des Gefühls, ein Naturereignis mit einem pfiffigen Augenzwinkern und einer warmen, kehligen Südländerstimme, der man stundenlang zuhört, weil er zu erzählen versteht wie kein anderer, das heißt wie alle großen Erzähler eben.
    Und das Wunder geschieht. Ohne den leisesten Kontakt mit der Literatur und ohne jeden schriftstellerischen Ehrgeiz (›Ich sende Ihnen hier meine Erlebnisse, lassen Sie sie durch einen Fachmann schreiben‹) erzählt er so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und sofort sieht man alles, hört und erlebt es.
    Drei Tage nachdem er den ›Astragal‹ gelesen hatte, schrieb er die ersten beiden Hefte voll, in einem Zug, gewöhnliche Schulhefte, am Rücken mit Spiralfedern zusammengehalten. Zu der Zeit, da die ersten zwei, drei Meinungen über dieses neue Abenteuer des Schreibens einlangen, das für ihn vielleicht überraschender war als alle vorhergegangenen, macht er sich Anfang 1968 an die Fortsetzung. Zwei Monate später hat er dreizehn Hefte ausgeschrieben.
    Und wie bei der Sarrazin schneit mir auch diesmal das Manuskript per Post ins Haus, im September. Drei Wochen später war Charrière in Paris. Ich hatte mit Jean-Jacques Pauvert, dem Verleger, die Sarrazin lanciert – Charrière vertraute mir sein Buch an.
    Ich habe dieses Buch, durch das sich der rote Faden noch ganz unmittelbarer Erinnerung hindurchzieht und dessen Abschrift von begeisterten, häufig wechselnden und nicht immer sehr französischen Stenotypistinnen getippt worden ist, so gut wie nicht angerührt. Ich
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