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Papillon

Papillon

Titel: Papillon
Autoren: Henri Charrière
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mich auszusagen, und ich bin zu dem Schluß gekommen, Herr Vorsitzender, daß die Polizei den Zeugen erwischt hat, als er gerade ein Verbrechen begehen wollte, und mit ihm einen Pakt geschlossen hat: Wir lassen dich frei unter der Bedingung, daß du Papillon belastest.«
    Ich hätte nicht gedacht, den Nagel so auf den Kopf getroffen zu haben. Polein, der den Geschworenen als anständiger, nicht vorbestrafter Mann präsentiert wurde, ist ein Jahr darauf wegen Rauschgifthandels verhaftet und abgeurteilt worden.
    Dr. Hubert versucht mich zu verteidigen, aber er hat nicht das Format des Staatsanwaltes. Nur Dr. Bouffay, der zweite Verteidiger, bereitet Pradel für ein paar Augenblicke Schwierigkeiten. Aber das währt nicht lange, Pradel macht ihn in diesem Duell sehr rasch fertig.. Überdies schmeichelt er den Geschworenen, die von Stolz geschwellt sind, von einer so eindrucksvollen Persönlichkeit als Gleichwertige behandelt zu werden.
    Um elf Uhr abends ist die Partie verloren. Meine Verteidiger sind schachmatt, und ich, ein Unschuldiger, bin verurteilt.
    Ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren wird von der französischen Gesellschaft, verkörpert durch den Staatsanwalt Pradel, für immer ausgestoßen. Und nur ja keine Herabsetzung der Strafe für ihn, bitte sehr!
    Der volle Kelch wird mir mit trockenen Worten vom Vorsitzenden Bevin überreicht.
    »Angeklagter, erheben Sie sich.«
    Ich erhebe mich. Lähmende Stille herrscht im Saal, alles hält den Atem an. Mein Herz beginnt zu klopfen.
    Die Geschworenen sehen mich an oder senken den Kopf, sie scheinen sich zu schämen.
    »Angeklagter, die Geschworenen haben alle Fragen mit Ja beantwortet, ausgenommen die der Vorsätzlichkeit. Sie werden zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Haben Sie noch etwas zu sagen?«
    Ich bleibe unbeweglich, klammere mich nur etwas fester ans Geländer der Zeugenbarre.
    »Herr Vorsitzender, ich bin unschuldig und das Opfer einer Machenschaft der Polizei.«
    Aus der Ecke, in der die Damen der Gesellschaft auf nummerierten Plätzen sitzen, höre ich ein Gemurmel.
    »Ruhe«, sage ich, ohne meine Stimme zu erheben. »Die perlengeschmückten Weiber, die hier ihre Komplexe abreagieren, sollen den Mund halten. Die Farce ist zu Ende. Ein Mord ist von eurer Polizei und eurer Justiz glücklich aufgeklärt worden, wie befriedigt müßt ihr euch fühlen!«
    »Wache!« ruft der Vorsitzende. »Führen Sie den Verurteilten ab!« Bevor ich hinausgehe, höre ich einen Aufschrei. »Mach dir nichts draus, ich komm dir nach!« Das war meine tapfere, brave Nenette, die ihre Liebe herausschreit. Einige Leute applaudieren. Sie wissen, was sie von diesem Mord zu halten haben, und sind stolz darauf, daß ich nichts aufgedeckt und niemanden verraten habe.
    In dem kleinen Saal, in dem wir uns vor der Verhandlung befanden, legen mir die Wachebeamten die Fesseln an, und einer von ihnen bindet mit einer kurzen Kette mein rechtes Handgelenk an sein linkes. Kein Wort fällt. Ich bitte um eine Zigarette. Der Adjutant reicht mir eine und zündet sie an. Wenn ich sie an den Mund führe, muß der Beamte jede meiner Bewegungen mitmachen.
    Ich rauche sie fast zu Ende. Niemand spricht ein Wort. Bis ich selber mit einem Blick auf den Adjutanten sage: »Gehen wir!«
    Begleitet von einem Dutzend Wachebeamten, betrete ich den Innenhof des Justizpalastes. Der Gefangenenwagen erwartet uns. Wir steigen ein. Wir sind ungefähr zehn. Setzen uns auf die Bänke.
    »Conciergerie«, sagt der Adjutant.
Die Conciergerie
    Nach der Ankunft in dem ehemaligen Schloß Marie-Antoinettes übergeben mich die Beamten dem Chef der Wache, der ein Papier unterzeichnet, den Übernahmeschein. Dann verlassen sie uns wortlos. Der Adjutant drückt mir, bevor er geht, überraschend die gefesselten Hände.
    »Was haben sie dir aufgebrummt?« fragt mich der Chef der Wache.
    »Lebenslänglich.«
    »Nicht möglich!« Er wirft den Wachebeamten einen Blick zu und sieht, daß es stimmt. Der Gefangenenwärter, der mit seinen fünfzig Jahren sehr viel gesehen hat und meinen Fall genau kennt, hat ein gutes Wort für mich.
    »Die sind ja verrückt, diese Schweine!«
    Sanft nimmt er mir die Fesseln ab. Und begleitet mich persönlich in eine der gepolsterten Zellen, die für Irrsinnige, Gemeingefährliche, zum Tode oder zu Zwangsarbeit Verurteilte eingerichtet sind.
    »Mut, Papillon«, sagt er, während er die Tür schließt. »Man wird dir die Kleider und die Eßsachen aus deiner alten Zelle hierherbringen. Nur
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