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Papillon

Papillon

Titel: Papillon
Autoren: Henri Charrière
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habe nur die Interpunktion etwas in Ordnung gebracht, einige allzu unverständliche Hispanismen ausgewechselt und ein paar etwas konfuse Stellen wie auch die eine oder andere Inversion, die dem Schreiber, in Caracas, durch den täglichen Umgang mit drei oder vier nur mündlich erlernten Sprachen unterlaufen ist, korrigiert.
    Für die Authentizität des Manuskripts bürge ich, voll und ganz. Zweimal ist Charrière nach Paris gekommen, und wir haben uns lang miteinander unterhalten, viele Tage, und noch ein paar Nächte dazu. Es liegt auf der Hand, daß sich nach dreißig Jahren gewisse Details verwischen können, sich in der Erinnerung verändern.
    Aber das ist ohne Belang. Wer sich vergewissern will, daß Charrière an keiner Stelle übertrieben hat, weder über die Zustände im Bagno noch über dessen Schrecken, der braucht nur in dem Werk ›Cayenne‹ (1965) von Professor Michel Deveze nachzulesen und wird bald merken, daß Papillon die Dinge eher noch zu sanft geschildert hat.
    Wir haben grundsätzlich alle Namen von Sträflingen, Aufsehern und Straflagerkommandanten verändert. Es ist nicht die Absicht dieses Buches, Personen anzugreifen, wohl aber, bestimmte Typen festzuhalten und eine besondere Welt zu zeigen. Mit der Datierung verhält es sich ähnlich: manche Zeitangaben sind genau, andere wieder weisen gerade nur auf den jeweiligen Zeitabschnitt hin. Das genügt. Charrière will beileibe kein Historiker sein, aber er will seine Odyssee so lebendig erzählen, wie er sie erlebt hat, mit aller Hartnäckigkeit und allem Vertrauen in sich selbst. Seine ungewöhnliche Geschichte ist die eines Mannes, der nicht zur Kenntnis nehmen mag, daß es, bei aller verständlichen Abwehr einer Gesellschaft gegen ihre Außenseiter, zu derartigen Exzessen von Strafe kommen muß, die – offen gesagt – einer Kulturnation unwürdig sind.
    Zum Schluß möchte ich noch dem Essayisten und Romancier Jean-Francois Revel, einem der allerersten Leser der Hefte, für sein Nachwort zu diesem Buch danken, in welchem er die Beziehungen des ›Papillon‹ zur Literatur der Vergangenheit und Gegenwart darstellt.

Erstes Heft: Der Weg in die Hölle
Die Geschworenen
    Die Ohrfeige war so ausgiebig, daß ich volle dreizehn Jahre brauchte, um sie zu verwinden. Es war kein gewöhnlicher Schlag, und um ihn mir zu versetzen, hatte man viel aufgeboten.
    Es ist der 26. Oktober 1932. Man hat mich um acht Uhr früh aus der Zelle in der Conciergerie geholt, die ich seit einem Jahr bewohne. Ich bin frisch rasiert, trage einen erstklassig geschneiderten Anzug, was mir ein elegantes Auftreten verleiht, und das weiße Hemd mit der hellblauen Fliege gibt meiner Erscheinung den letzten Schliff.
    Ich bin fünfundzwanzig, sehe aber wie zwanzig aus. Da ich mich wie ein Gentleman benehme, sind die Wachebeamten etwas gehemmt und behandeln mich höflich. Sogar die Handschellen hat man mir abgenommen. Wir sechs – fünf Wachebeamte und ich – sitzen in einem kahlen Raum auf zwei Bänken. Der Himmel vor den Fenstern ist grau. Die Tür uns gegenüber führt sicher in den Schwurgerichtssaal, denn wir befinden uns im Palais de Justice de la Seine in Paris.
    In wenigen Augenblicken wird man mich des Mordes anklagen. Mein Anwalt, Dr. Raymond Hubert, kommt mich begrüßen. »Es liegt kein schwerwiegender Beweis gegen Sie vor, ich bin voller Zuversicht, wir werden freigesprochen!« Das »wir« reizt mich zum Lachen, es sieht fast so aus, als stünde Dr. Hubert gleichfalls als Angeklagter vor den Geschworenen und ein Schuldspruch träfe auch ihn. Ein Saalwärter öffnet die Tür und gibt uns das Zeichen einzutreten. Flankiert von vier Wachebeamten und meinen ganz persönlichen Leibwächter an der Seite, trete ich durch die große, weit geöffnete Flügeltür in einen riesigen Saal. Um mir meine Ohrfeige würdig zu versetzen, hat man alles in blutiges Rot getaucht: rot die Vorhänge an den mächtigen Fenstern, rot die Teppiche, rot die Roben der Richter, die das Urteil über mich sprechen werden.
    »Das hohe Gericht!«
    Aus einer der rechts gelegenen Türen treten hintereinander sechs Männer: der Vorsitzende und fünf Richter, alle mit dem Barett auf dem Kopf. Der Vorsitzende macht vor dem Mittelsitz halt, die Beisitzer verteilen sich links und rechts von ihm.
    Eindrucksvolle Stille. Alle stehen, auch ich. Als die Richter Platz nehmen, setzen auch wir uns.
    Der Vorsitzende, pausbäckig und rotwangig, blickt mir ernst und ungerührt in die Augen. Er heißt
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