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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
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Euler leise. «Die Kastration …» Er holte Luft. «Das war der Schlusspunkt, und sie ist von ganz anderer Natur als der Rest. Streng genommen war es natürlich keine Kastration, bei der ja lediglich die Hoden …»
    «Da gab es historisch gesehen unterschiedliche Methoden», unterbrach ihn Albrecht. «Wobei in der Regel tatsächlich nur das Skrotum entfernt wurde. Hier allerdings nicht.»
    Hannah Friedrichs räusperte sich. «Könnte das irgendeine Rolle spielen?»
    Albrecht antwortete nicht. Sein Blick gab die Frage an Euler weiter.
    Die Finger des blonden Mannes trommelten kurz auf die Tischfläche. Er sog die Unterlippe zwischen die Zähne. «Möglicherweise», sagte er zögernd. «Bereits die Entfernung des Hodensacks hat einen beträchtlichen Blutverlust zur Folge, wenn die Wunde nicht sofort geschlossen wird. In historischen Zeiten geschah das mit Pech oder durch starke Hitzeeinwirkung. Ausbrennen.»
    Die Kommissarin strich sich über die Unterarme. Albrecht sah ihre Gänsehaut.
    «Ein Blutverlust, der zum Tode führt?», fragte er nach.
    «Nicht zwangsläufig», gestand Euler ein. «Aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit.»
    Albrecht nickte langsam, sah zu Hannah Friedrichs. «Da haben Sie Ihre Antwort. Oder …» Er zögerte. «Im Grunde haben wir zwei Antworten. Zum einen kam es nicht allein auf die Kastration an, ganz gleich, aus welchem Grunde sie erfolgt ist. Eine Demonstration möglicherweise, eine Art Ritual. Doch es ging um mehr: Hartung sollte getötet werden.»
    «Also Vorsatz.» Friedrichs nickte.
    «Exakt. Aber dieser Vorsatz setzt etwas Zweites voraus.»
    Die Pupillen der Kommissarin zogen sich irritiert zusammen, weiteten sich dann überrascht. «Sie muss das gewusst haben!», murmelte sie. «Die Täterin. Sie muss gewusst haben, dass sie sich nicht darauf verlassen kann, dass er stirbt, wenn sie ihm nur die Hoden abschneidet!»
    «So sieht es aus», sagte Albrecht nachdenklich. «Bemerkenswert.»
    «Und die Strumpfhose?», fragte Friedrichs. «Die Nylons um seinen Hals? Auch eine Demonstration?»
    Euler blickte auf die Tischplatte, als hätte er das Protokoll noch vor sich. Er schüttelte den Kopf.
    «Eine Demonstration vielleicht insofern, als sie nach der Tat an Ort und Stelle belassen wurde. Doch auf jeden Fall ist diese Strumpfhose eingesetzt worden. Erotische Asphyxie, Atemkontrolle. Eine erotische Spielart, die mit Sicherheit zum Spektrum dieses …» Eine ausholende Handbewegung, die das gesamte
Fleurs du Mal
umschreiben sollte. «Durch die Drosselung der Atmung kommt es zu einer Unterversorgung des Blutes mit Sauerstoff, was einen euphorischen Bewusstseinszustand auslösen kann. Vermehrte Ausschüttung von Adrenalin. Der besondere … Kick.»
    Eulers Finger fuhren unter seinen Hemdkragen. In seinem Fall keine Demonstration, vermutete Albrecht.
    Er verbot sich den Gedanken, worin vielleicht Martin Eulers persönlicher Kick bestehen mochte, oder Hannah Friedrichs’ Kick. Schon der Gedanke verletzte genau jene besondere persönliche Würde, die Ole Hartung genommen worden war.
    «Diese Strangulation war … spielerisch?», fragte er. «Kein Versuch, ihn zu töten?»
    «Mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen», schränkte Euler ein. «Die Würgemale sind deutlich sichtbar, doch ich denke, wenn sie gewollt hätte, hätte sie noch mehr Kraft aufwenden können.»
    «Könnte eine Frau einen Mann auf diese Weise töten?», erkundigte sich Friedrichs. «Ole Hartung ist …» Sie schluckte. «Er war nicht gerade ein Strich in der Landschaft.»
    Euler hob die Schultern. «Kommt auf die Frau an, würde ich sagen, nicht wahr?»
    Jörg Albrecht nickte. «Sie sagen es. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir ein Gespräch mit Jacqueline führen.»
    ***
    «Wie krank müssen solche Menschen eigentlich sein?», brummte Albrecht. Im Vorübergehen hatte er einen Blick in das Latexzimmer geworfen und sprach eigentlich nur aus, was mir selbst durch den Kopf ging, seitdem ich das
Fleurs du Mal
betreten hatte.
    Doch dann musste ich an die gepolsterten Handschellen denken, die Dennis vor ein paar Jahren angeschleppt hatte, pünktlich zum Valentinstag. Es war eine Weile her, dass wir die im Schlafzimmer eingesetzt hatten, und mit ziemlicher Sicherheit bewegte sich das auch noch auf einer mehr oder weniger gesunden Ebene, aber trotzdem: Irgendwie konnte ich das so nicht stehen lassen.
    «Na ja.» Ich hob möglichst beiläufig die Schultern. «Jeder nach seiner Fasson, oder?»
    Abrupt blieb er
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