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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
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stehen. «Vorsätzliche Körperverletzung ist keine Frage der Fasson!» Seine Augen verengten sich.
    Ich biss die Zähne zusammen. Super hingekriegt.
    Seine Maske hatte auf der Stelle wieder perfekt gesessen, kaum dass er die Tür des Tatzimmers hinter sich geschlossen hatte. Das gesamte Gespräch mit Euler hindurch. Doch ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was in seinem Kopf vorging. Jörg Albrecht war nicht der Einzige, der seine Leichen abends mit nach Hause nahm, und es war verdammt noch mal nicht meine Schuld, dass seine Ehe daran kaputt gegangen war, während meine eigene … Dennis und ich kamen jedenfalls zurecht, mal mehr, mal weniger. Im Moment eher weniger, aber das ging Jörg Albrecht einen feuchten Kehricht an.
    Ich wich seinem Blick nicht aus.
    «Wahrscheinlich suchen die Leute einfach was, das ihnen im richtigen Leben fehlt. Einen Ausgleich.» Noch einmal hob ich die Schultern. «Jeder hat seine eigene Art, mit dem Stress umzugehen, der sich im Job und im Alltag so aufbaut.»
    Sein Blick wurde noch stechender, doch dann wandte er sich wortlos ab und stapfte die Treppe zum zweiten Stock hoch, wo Jacquelines Zimmer lag, wie Madame Beatrice mir verraten hatte.
    Die Tür wurde geöffnet, bevor er den Finger von der Klingel genommen hatte.
    Ich war mir nicht sicher, was ich erwartet hatte. Wahrscheinlich eine Art Nuttenchic, dabei hatte mir die Geschäftsführerin schon erzählt, dass ihre Mitarbeiterinnen die Gäste des Hauses niemals in ihren Privatzimmern empfingen.
    Jacqueline trug einen ausgewaschenen Trainingsanzug. Ihre Haare waren im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden – nicht anders als bei mir im Moment. Sie war keine eins sechzig groß, schlank, beinahe zerbrechlich. Vielleicht ließ sich das mit High Heels ein Stück weit kaschieren, aber möglicherweise spielte es für den Kick ihrer Kunden auch gerade eine Rolle, so einem zarten Persönchen ausgeliefert zu sein.
    Ganz automatisch schaute ich auf die Finger der Frau. Sie zitterten, ebenso ihre Lippen. Konnten diese Hände einen Menschen erdrosseln? Was Hartungs übrige Verletzungen betraf, spielten die Instrumente die entscheidende Rolle.
    «Bitte.» Die Stimme war leise. Jacqueline trat zur Seite, eine Aufforderung, reinzukommen.
    Ich sah mich kurz um. Ein Schlafsofa, ein Schreibtisch mit Stuhl, eine Kochnische. Hinter einer Schiebetür verbarg sich vermutlich die Nasszelle. An der Wand ein Kunstdruck von Magritte, auf dem Schreibtisch ein paar Familienfotos. Ein Singleappartement, wie es sie in der Stadt zu Hunderten gab. Warum nicht im
Fleurs du Mal
?
    «Ich danke Ihnen, dass Sie so rasch für uns Zeit haben.» Albrecht hatte seine Stimmung längst wieder unter Kontrolle. Wir ließen uns auf dem Sofa nieder, während Jacqueline sich den Schreibtischstuhl heranzog.
    «Normalerweise schlafe ich um diese Zeit.» Ihre Stimme schwankte. Ich hörte einen Akzent, doch er war schwächer als bei ihrer Chefin. «Aber heute …»
    «Ich kann mir vorstellen, dass das für Sie alle nicht ganz einfach ist.» Albrecht nickte und warf mir einen Blick zu. Die Andeutung einer Entschuldigung? Ich war vor allem froh, dass er das Mädchen anders anfasste, als er das bei Madame Beatrice getan hatte. Und ich war mir ausnahmsweise sicher, dass das keine seiner Maskeraden war.
    Jacqueline antwortete nicht. Sie hatte ihre Hände ineinandergelegt und wartete auf unsere Fragen.
    Der Hauptkommissar räusperte sich. «Ihre Personalien haben ja bereits unsere Kollegen aufgenommen. Sie sind hier im
Fleurs du Mal
beschäftigt?»
    «Von Anfang an beinahe.» Das Mädchen neigte den Kopf und betrachtete kurz den Notizblock, den ich vor mir auf den Couchtisch legte. «Seit zweieinhalb Jahren.»
    Ich machte einen kurzen Vermerk. Die meisten Details würden für die Ermittlung unwichtig sein, doch in der Regel tat es den Zeugen gut, wenn sie den Eindruck bekamen, dass wir ihre Aussagen ernst nahmen.
    «Gestern Abend hatten Sie Türdienst?», fragte Albrecht. «Können Sie uns kurz beschreiben, wie wir uns das vorstellen müssen?»
    Ich war ihm dankbar, dass er das Mädchen nicht zwang, ihm die Details ihrer Hurenkarriere offenzulegen. Doch so war Albrecht auch nicht.
    Jacqueline hob die Schultern. «Wir wechseln uns ab. Vier Abende in der Gastronomie, einen an der Tür, zwei Abende frei. Der Türdienst begrüßt die Gäste. Er kann ihnen gleich beantworten, ob eine bestimmte Suite frei ist oder ob eine bestimmte Mitarbeiterin gerade Dienst hat. Aber
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