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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst
Autoren: Stephan M. Rother
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meistens ist das schon im Voraus vereinbart.»
    «Und wenn es sich um Gäste handelt, die zum ersten Mal hier sind?»
    Ich sah, wie sie den Druck, mit dem sie ihre Finger umklammerte, etwas verstärkte. «Das kommt darauf an», sagte sie ausweichend. «Die meisten Gäste kommen auf Empfehlung von Stammkunden. Und da wir keine Übernachtungen anbieten …»
    Albrecht hob beruhigend die Hand. «Sie sind nicht verpflichtet, die Ausweise zu prüfen. Allerdings handelt es sich beim
Fleurs du Mal
ja um einen Club, der …»
    «Sie waren volljährig», sagte das Mädchen eilig. «Er sowieso, und die Frau auch. Das war deutlich, trotz der Augenmaske.»
    «Maske?»
    Albrecht klang nicht halb so baff, wie ich mich plötzlich fühlte, aber immer noch baff genug für seine Verhältnisse. Ich biss die Zähne zusammen und verfluchte lautlos die Puffmutter, die völlig vergessen haben musste, dieses Detail zu erwähnen.
    «Catwoman.» Jacqueline lächelte müde. «Der Klassiker.»
    Natürlich. Die Accessoires für das dunkle Abenteuer. Beim
Club de Sade
und dem
Endless Pain
um die Ecke sorgte das kaum für besonderes Aufsehen. Nicht mitten in der Nacht.
    Auch Albrecht nickte verstehend. «Aber Sie konnten doch immerhin so viel erkennen …»
    «Um die dreißig vielleicht.» Wieder ließ sie ihn nicht ausreden. Ich konnte ihr kaum übelnehmen, dass sie diese Unterhaltung möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Und schließlich ging es uns nicht viel anders, obwohl sich in meinem Bauch ein schwarzer Knoten schnürte, wenn ich daran dachte, dass wir mit Sabine Hartung reden mussten, sobald dieses Gespräch vorbei war.
    «Ein paar Jahre drüber oder drunter», schränkte das Mädchen ein. «Sie war natürlich geschminkt. Schwarze Haare, doch ich denke, das war eine Perücke. Aber sie war groß – größer als ich», präzisierte sie.
    Ich erlaubte mir die Andeutung eines Lächelns, das sie scheu erwiderte.
    «Auch ohne die Pumps», fügte sie noch hinzu.
    «Aber Sie sind sich ganz sicher, dass es eine Frau war?», hakte Albrecht nach.
    Zum ersten Mal zögerte sie mit der Antwort. Staunend sah ich den Chef an. War das ein Schuss ins Blaue gewesen, oder war selbst die entspannte Haltung, in der er sich bei diesem Gespräch befand, nur eine seiner Fassaden? Er betrachtete das Mädchen geduldig, aufmerksam.
    «Sie sah aus wie eine Frau», sagte Jacqueline schließlich. «Aber ich habe schon Transen gesehen, die …»
    Sie vollendete den Satz nicht. Mein Magen zog sich zusammen, als ich gegen meinen Willen an die Auffindungssituation denken musste, an das Objekt, das in Hartungs Anus eingeführt worden war. Euler hatte nichts darüber gesagt, ob dabei Gewalt im Spiel gewesen war oder, genauer gesagt: welches Maß an Gewalt. Ein weiterer Akt der Demütigung? Vermutlich. Doch ergab dieses Detail nicht einen deutlicheren Sinn, wenn die Frau, nach der wir suchten, gar keine Frau …
    Ein schriller Laut ließ mich zusammenzucken. Ich spürte, dass Albrecht genauso überrascht wurde, doch schon tastete er mit einem unwilligen Murmeln über sein Jackett. Den Mantel hatte er neben sich auf der Couch abgelegt.
    «Ja.» Noch einsilbiger als vor ein paar Stunden, als ich ihn am Handy gehabt hatte.
    Doch diesmal war es anders. Er lauschte. Ich sah, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte: Verblüffung, dann etwas anderes, Stärkeres. Bestürzung. Er ließ das Telefon sinken, sagte kein Wort, zwei Sekunden lang.
    Als er sprach, an Jacqueline gewandt, war seine Stimme heiser. «Haben Sie einen Fernseher?»
    ***
    «… gebe ich ab zu meiner Kollegin Margit Stahmke live vor Ort in Hamburg-St. Pauli.»
    Überblendung. Das Gesicht des Studiomoderators verschwand und machte einer morgendlichen Straßenszene Platz. Graue Häuserfassaden, übersät mit Graffiti. Im Hintergrund Passanten, die versuchten, sich in den Aufnahmewinkel der Kamera zu drängen, und im Vordergrund eine Frau mittleren Alters, schmale Lippen, das blonde Haar streng aus der Stirn gekämmt.
    «Deutschlands traditionsreichstes Rotlichtviertel befindet sich im Schockzustand», verkündete Margit Stahmke in ein Mikrophon mit dem Kanal-Neun-Logo. «In diesem Gebäude wenige Meter hinter mir, das den Nachtclub
Fleurs du Mal
beherbergt, ist vor wenigen Stunden eine grausam entstellte Leiche gefunden worden. Was diesen schrecklichen Fund allerdings ganz besonders brisant macht, ist die Tatsache, dass es sich bei dem Ermordeten um einen Polizeibeamten
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